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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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warf er sich nach vorne und schleuderte sein Geschoss los.
    Es stieg in einem langsamen Bogen hoch und senkte sich dann auf die Polizistin zu. Fegan hoffte inständig, es würde sein Ziel verfehlen. Flieg daneben, flieg daneben, dachte er. Er schloss die Augen, bis er den Aufprall auf dem Asphalt hörte.
    Als er sie wieder aufmachte, sah er, wie die Polizisten auseinandersprangen und hinter den Land Rovern Deckung suchten.
    »Mist«, fluchte Caffola. Dann zwinkerte er Fegan zu. »Aber nah dran.«
    Fegan holte tief Luft. Er wusste, dies würde Vincent Francis Caffolas letzte Nacht auf Erden sein.
    Bei diesem Gedanken schoss ihm ein Schmerz in die Schläfen, und eine eisige Welle durchfuhr ihn. Die untergehende Sonne warf lange Schatten. Schemen traten aus ihnen heraus, nahmen Gestalt an und kamen näher. Die beiden UDR-Männer flankierten Caffola, sie hatten die Arme gehoben und zielten auf ihn. Die übrigen umringten Fegan. Die Frau, deren Säugling auf ihrem Arm unruhig wurde, lächelte ihn an.
    Drüben beim Polizeiaufgebot dröhnten Motoren und Bremsen quietschten. Aus sechs weiteren Land Rovern sprangen Männer in voller Nahkampfausrüstung heraus. Sie trugen Helme mit Visieren, feuerfeste Gesichtsmasken und schwere Schutzanzüge. In ihren behandschuhten Händen hielten sie Einsatzschilde und Schlagstöcke.
    Sie waren bereit. Der Mob war bereit. Und Fegan war bereit. Caffola drehte sich noch einmal zu ihm um und grinste. »Einfach spitze!«, rief er.
     
    Anfangs hielten die Polizisten noch ihre Linie. Als die ersten Wellen von Betonbrocken flogen, hoben sie einfach ihre Schilde und ließen sie abprallen. Ein Vorgesetzter, der sich nur an seinem Gang von den anderen unterschied, lief hinter der Linie auf und ab und brüllte Befehle. Fegan konnte sie auf die Entfernung nicht hören, aber er wusste auch so, wie sie lauteten. Ruhe bewahren! Die Stellung halten!
    Die Lage änderte sich, als die ersten Bomben eintrafen. Halb rennend, halb taumelnd, kam einer der Jungen mit einem Kasten voller mit Benzin gefüllter Flaschen an. Den Rücken an die Mauer gepresst, hielt er sich außer Sichtweite der Polizisten und machte Caffola von der Seitenstraße aus Zeichen. Sie hatten die größeren Flaschen ausgesucht, diese mit einer Mischung aus Benzin und Zucker gefüllt und in die Hälse Lappen gepfropft, die sie in Benzin getränkt hatten.
    Fegan pumpte mit den Fäusten und kämpfte so gegen das Adrenalin, das schon durch seinen Körper rauschte. Die Verfolger umringten ihn und sahen zu.
    Auf Caffolas Signal hin rannten Jungen an die Ecke und holten sich die teuflisch gefährlichen Flaschen. Der Qualm des brennenden Haufens aus Matratzen und Holz verhinderte, dass die Polizei ihr Tun verfolgen konnte, aber auch so musste sie eigentlich wissen, was jetzt kam. In diesen Straßen war der Molotowcocktail schon immer die bevorzugte Waffe gewesen.
    Fegan konnte nicht erkennen, wer den ersten warf. Er sah nur den flammenden Aufstieg und den Rauchschweif, der dem fallenden Geschoss folgte. Man hörte Glas splittern und dann ein Wumm!, als die Flüssigkeit drei Meter vor den Cops explodierte. Diejenigen, die am nächsten standen, fuhren zurück und wurden dafür von ihrem Kommandanten gerüffelt, Die Menge jubelte.
    Die nächste Bombe wurde von dem dürren Rotschopf geworfen, dem Caffola eben erst gesagt hatte, er solle sich maskieren. Er legte all seine Kraft in den Wurf, aber der landete trotzdem gut fünf Meter vor der Linie. Das Benzin spritzte überallhin, entzündete sich aber nicht. Wütend stampfte der Junge mit dem Fuß auf die Erde.
    Die dritte war sehenswert. Ein älterer Junge, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, entzündete den Lumpen an seiner Flasche und kam dann hinter der brennenden Barrikade zum Vorschein. Die Luft zerrte an der Flamme, als der Junge über die Schulter hinweg ausholte. Er rannte fünf Schritte und warf. Dann erstarrte er und sah der Benzinbombe nach, die in einem hohen Bogen nach oben schoss. Der inzwischen auf eine Hundertschaft angewachsene Mob hielt den Atem an, als der Cocktail seinen Zenit erreichte, dann kullernd und drehend fiel und einen Rauchschwaden hinter sich herzog. Die Polizisten drängten zurück, als klar wurde, wie genau der Wurf war. Die Flasche zerschellte ihnen vor den Füßen und tauchte sie in ein Flammenmeer. Die Menge stieß einen ohrenbetäubenden Jubel aus. Während Caffola lachte und ihm auf die Schulter schlug, sah Fegan, wie die vier Polizisten, die das Feuer

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