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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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einer Stunde blicken. Sieh zu, dass es danach alle ein bisschen ruhiger angehen lassen, damit die Presse mitbekommt, wie er die Lage beruhigt hat.«
    »Der war schon immer ein schlaues Bürschchen«, sagte Caffola. Er klatschte grinsend in die Hände. »Also dann mal los.«

Ein Aufstand ist wie ein Feuer. Er führt ein Eigenleben und tut, was er will. Aber er kann trotzdem angefacht oder erstickt werden. Fegan wusste das so gut wie jeder andere. Die Polizei und die jungen Burschen waren die Anzünder, Papier und trockenes Kleinholz. Männer wie Caffola waren die Flamme, die es entzünden konnte. Andere wie zum Beispiel Pater Coulter waren Wasser, das die Flammen löschen konnte. Aber Pater Coulter war heute Abend nicht da, also konnte Caffola nach Belieben zündeln. Aus einer kranken Faszination heraus sah Fegan ihm dabei zu.
    Caffola lief zwischen den einzelnen Gruppen der Jungen und Halbstarken hin und her, schlug einigen auf die Schulter und gab Befehle aus. Sie gehorchten ihm blind.
    Innerhalb von Minuten machten sich die Älteren auf, um Munition zu beschaffen. Sie waren bald wieder da und rollten Plastikmülltonnen heran. Ihre Geschosse hatten sie sich von den verlassenen Häusern und Grundstücken in der Nähe besorgt: Ziegelsteine, Flaschen, Betonbrocken und Schrott. Alles, was man brauchen konnte. An der Ecke tauchten zwei etwa Fünfzehnjährige auf, die den Mülleimer von der Bar vor sich herrollten. Die holpernden Räder auf dem Asphalt ließen die Flaschen klirren und scheppern. Außer Sichtweite der Polizei blieben die beiden stehen.
    Die Cops drängten sich zusammen, Befehle wurden hin und her gerufen. Sie wussten, dass die Sache sich diesmal nicht einfach so auflösen würde. Einige legten Schutzwesten an und zogen Helme auf.
    Innerhalb von zehn Minuten bekam Caffola einen Anruf, in dem er erfuhr, dass in einem Hinterhof zwei Straßen weiter sechs Kanister mit Benzin standen. Er wies die Jungen an, den Mülleimer mit den Flaschen dorthin zu schieben. »Und holt euch von den Wäscheleinen, so viel ihr könnt, damit wir Stofflappen haben«, befahl er. Dann zog er einen Zehn-Pfund-Schein aus der Tasche und drückte ihm einen der Jungen in die Hand. »Und hier, kauft davon ein bisschen Zucker. Denkt dran, den mit dem Benzin zu vermischen, damit es klebt, klar? Und besorgt euch bei Tom ein paar Kästen für den Rücktransport.«
    »Alles klar«, sagte einer der Jungen. Er und sein Freund kippten den Mülleimer an und schoben ihn zurück um die Ecke.
    Die ersten Steinbrocken begannen zu fliegen, zunächst nur sporadisch, aber dann wurde das Bombardement heftiger. Die Cops verschanzten sich einstweilen hinter ihren Land Rovern und gaben sich damit zufrieden, der Sache ihren Lauf zu lassen, bis sie genug Verstärkung hatten, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.
    Hinter dem Polizeiaufgebot tauchte in einem Transporter die erste Nachrichtencrew auf. Allmählich machte die Geschichte die Runde. Die Menge rund um den Haufen brennender Trümmer schwoll weiter an. Caffola stand mit in die Hüften gestemmten Armen da und beobachtete, wie sich der Konflikt entfaltete. Er hatte die Nase in die Luft gereckt, so als wittere er Gewalt.
    Auch Fegans Nasenflügel bebten. Der alte Geruch weckte Erinnerungen in ihm.
    »Wird es schlimm?«, fragte er.
    »Nicht allzu schlimm«, antwortete Caffola. »Nur eine kleine Balgerei. Keiner wird ins Gras beißen.«
    Fegan sah auf Caffolas Hals. »Bist du dir da sicher?«
    »Ja. Wir sind ja nicht mehr in den Achtzigern. Nicht mal mehr in den Neunzigern, verdammt. Wenn es hochkommt, müssen ein paar genäht werden.« Caffolas Bauch wurde von einem plötzlichen Lachen geschüttelt. Er deutete auf die Reihe der Land Rover. »Siehst du die da?«
    Fegans Blick folgte der Richtung, in die Caffolas Finger wies. Er sah eine junge Polizistin, die sich mit dem Rücken zu ihnen hingekauert hatte und sich mit ihren Kollegen besprach. Unter ihrer Mütze quoll blondes Haar hervor, und in Fegans Kopf tauchte das Bild von Marie McKenna auf. Er verscheuchte es.
    Caffola stieß ihn an. »Hinter dem Land Rover. Siehst du sie?«
    Fegan hätte beinahe ja gesagt, dass er sie tatsächlich sah, besann sich aber eines Besseren in der Hoffnung, dass Caffola sich vielleicht ein anderes Ziel aussuchte, wenn er den Mund hielt. Doch er hatte kein Glück.
    »Guck zu.« Vom Fenstersims der Bar nahm sich Caffola eine leere Flasche. Er lief ein paar Schritte, die Flasche über der rechten Schulter hochgereckt. Dann
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