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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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angemalt.
    »Wie schön«, sagte er.
    Marie strich ihrer Tochter über das Haar. »Ellen, jetzt lass Gerry mal ein Weilchen in Ruhe, ja?« Ellen zog eine Schnute. »Na gut.«
    Als Marie ihm den Mantel abnahm, sagte Fegan: »Ich habe euch etwas mitgebracht.« Er reichte ihr die Plastiktüte und errötete.
    »Oh.« Sie holte es heraus.
    Fegan hatte das Stück Eichenholz auf einem herrenlosen Grundstück nicht weit von seinem Haus gefunden. Vielleicht hatte es einmal zu einem Kaminsims oder einem Treppengeländer gehört. Wochenlang hatte er das Holz bearbeitet und mit Schleifpapier die Maserung zum Vorschein gebracht, bis sie eine beinahe flüssige Gestalt angenommen hatte, wie die Strömung eines Gewässers. Er hatte die Aushöhlung geglättet, wo einmal ein Astloch gewesen war, dann Schicht auf Schicht den Lack aufgetragen und zwischendurch immer wieder nachgeschliffen, bis es aussah, als würde das Holz von innen brennen. Dann hatte er es noch auf eine Schieferplatte montiert.
    »Es ist wunderschön«, sagte Marie.
    »Bei mir zu Hause war es sowieso nur ein Staubfänger«, erklärte Fegan. »Hier passt es besser hin.«
    »Danke.« Sie stellte das Stück auf einen Tisch neben dem Fenster, gleich neben einen geöffneten Laptop.
     
    »War etwas los?«, fragte Fegan.
    »Nichts. Alles ruhig, Die meiste Zeit habe ich gearbeitet.« Marie musterte das Objekt in dem wenigen Licht, das die zugezogenen Vorhänge durchließen.
    »In ein, zwei Stunden ist es dunkel. Vorher kommen sie nicht.«
    »Und was willst du dann machen?«, fragte sie und wandte sich wieder zu ihm um. »Mit ihnen reden.«
    »Reden? Ich bezweifle, dass sie dir zuhören werden.«
    »Nun, dann muss ich es eben … anders versuchen.« Eine Sekunde lang starrte Marie ihn an, dann sagte sie: »Ich bin froh, dass du gekommen bist.«
     
    Das Abendessen war einfach, Grillhähnchen mit neuen Salzkartoffeln und einem Salat, aber Fegan verschlang es, als sei es seine letzte Mahlzeit. Als Marie wissen wollte, ob er gerne einen Nachschlag hätte, sagte er schon ja, bevor sie noch zu Ende gefragt hatte. Das letzte Mal, dass jemand etwas für ihn gekocht hatte, war nicht Wochen oder Monate, sondern viele Jahre her. Fast zwei Jahrzehnte waren vergangen, seit er sich zum letzten Mal mit Menschen zum Essen hingesetzt hatte, die er kannte und mochte.
    Ellen hatte akkurat den rotblättrigen Salat vom grünen getrennt und an den Rand ihres Tellers verbannt. Ebenso hatte sie mit chirurgischer Präzision die dunklen Augen aus den Kartoffelschalen entfernt und zu dem unerwünschten Salat geschoben. Davon abgesehen, hatte sie ihren Teller blitzblank geputzt, während sie Fegan gleichzeitig mit Sachen über Schuhe, Malen und Peppa Pig vollplapperte.
    »Was ist denn Peppa Pig?«, fragte Fegan.
    Ellen kicherte nur und sagte: »Du bist ja vielleicht dämlich.«
    Fegan forschte lieber nicht weiter nach.
     
    Nach dem Essen stand Marie auf und schickte Ellen zurück zu ihren Malbüchern, die überall im Wohnzimmer verstreut lagen.
    »Und was passiert nach heute Abend?«, frage sie Fegan, während sie anfing, den Tisch abzuräumen. »Angenommen, du wirst sie los. Dann kommen sie doch morgen einfach wieder, oder etwa nicht?«
    »Vielleicht«, antwortete Fegan. »Wenn du willst, komme ich dann eben auch wieder und kümmere mich darum.«
    Sie brachte die Teller in die Küche, wo schon die Töpfe zum Einweichen standen. »Und was passiert weiter? Die kommen doch immer wieder, und es wird immer schlimmer. Ich will nicht, dass Ellen das miterlebt. Und ich will auch nicht, dass dir etwas passiert.«
    »Mir passiert schon nichts«, beruhigte er sie. Er trat zu Marie ans Waschbecken, nahm ein Trockentuch und fing an, die Teller abzutrocknen, die sie ihm herüberreichte. »Ich werde die Sache regeln. In ein paar Tagen bin ich so weit.«
    »Und wie?«
    »Mach dir darüber keine Gedanken«, wich er aus. »Ich werde die Sache regeln. Mehr musst du nicht wissen. Danach müsst Ellen und du euch keine Sorgen mehr machen.«
    Sie hielt einen Teller fest, den sie ihm gerade hatte reichen wollen. »Was soll das heißen?«
    Er lächelte sie an. Das Lächeln kam ihm leicht auf die Lippen und fühlte sich ehrlich an. »Ihr werdet euch keine Sorgen mehr machen müssen. Ende.«
    Marie erwiderte sein Lächeln, aber als sie sich dann abwandte, entdeckte Fegan etwas Hartes und Gequältes darin.
     
    Marie erzählte Fegan von Jack Lennon und wie der hübsche Polizist sie damals eingeladen hatte, als sie ihr

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