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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Diktiergerät verstaute. Es war um Katholiken bei der Polizei in einer neuen Zeit der Reformen gegangen. Jack war ein guter Interviewpartner gewesen, offen und redegewandt. Sogar charmant. Als Marie ihn gefragt hatte, ob Jack Lennon eigentlich ein echter Bulle sei, war er rot geworden.
    Nur sechs Tage später war Marie verliebt.
    Zuerst behielt sie ihr Geheimnis für sich. Dass ihre Familie ihre Arbeit für eine Zeitung der Unionisten missbilligte, war ohnehin schon klar. Ihr Vater hatte nie darüber gesprochen, ob er sich an dem Konflikt aktiv beteiligte, doch dass ihr Onkel Mike bis zum Hals mit drinsteckte, war ihr klar. Wo immer sie auch hinkam, wussten die Leute schon, wer sie war und aus welcher Familie sie stammte. Auch all ihre Freunde gehörten zu dieser Gesellschaftsschicht, aber bis auf wenige zogen sie sich alle wegen Maries Jobs zurück. Und als sie dann Jack Lennon nicht länger geheimhalten konnte, verstießen auch diese letzten sie so postwendend wie alle anderen, mit denen sie aufgewachsen war.
    Marie war dreiunddreißig und fühlte sich isoliert und von ihrem alten Leben ausgegrenzt. Aber sie hatte ja Jack, das reichte. Hier und da kamen zwar anonyme Drohungen, zum Beispiel mit Patronen garnierte Einladungen zu einem Gedenkgottesdienst im Briefkasten, doch das Paar hielt zusammen. Das würden sie auch noch durchstehen.
    Zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung und nur wenige Wochen, nachdem ihre Periode ausgeblieben war, roch Marie ein fremdes Parfüm an ihm. Jack arbeitete inzwischen bei der Kriminalpolizei und trug keine Uniform mehr. Er behauptete, es sei eine Kollegin, die früher keinerlei Interesse an ihm gezeigt hatte. Aber jetzt, wo er in einer festen Beziehung mit einer anderen Frau lebte, habe sich das geändert. Tag für Tag habe sie - oft körperliche - Annäherungsversuche unternommen, aber er habe ihr widerstanden. Er sei immer treu gewesen, sei es auch jetzt und werde es immer sein.
    Jack Lennon war ein charmanter und überzeugender Mann. Marie glaubte ihm jedes Wort. Erst im Nachhinein meinte sie sich daran zu erinnern, dass er zusammengezuckt war, als sie ihm sagte, sie sei möglicherweise schwanger. Ob das wirklich stimmte, wusste sie nicht, aber es spielte es auch keine Rolle. Sicher war ans nur, dass sie zwei Monate später eines verregneten Abends nach Hause kam und die Wohnung verlassen vorfand.
    Fegan hörte Marie zu, die neben ihm auf dem Sofa saß, Sie erzählte, doch ihr Gesicht zeigte keine Regung.
    »Und weißt du, was das Traurigste ist?«, fragte sie und fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Eine Woche, nachdem er mich für sie verlassen hatte, hat sie ihm den Laufpass gegeben.« Marie lachte bitter auf. »Sie wollte das, was sie nicht kriegen konnte, und als sie es dann kriegen konnte, wollte sie es nicht mehr. Alles kaputt, für nichts. Na ja, er hat mich dann angerufen und mich angefleht, zurückkommen zu dürfen. Ich habe ihm gesagt, er soll sich verpissen.«
    »Gut«, sagte Fegan. »Er hört sich nach einem ziemlichen Arschloch an.«
    Ellen sah von ihrem Ausmalen auf. »Du hast ein schlimmes Wort gesagt.«
    »Tut mir leid«, gestand Fegan.
    Ellen sah ihre Mutter an. »Mummy, darf ich eine DVD anschauen?«
    »Gleich ist Schlafenszeit, mein Schatz.«
    »Kann ich nicht wenigstens den Anfang gucken?«, bettelte Ellen.
    Marie setzte sich auf und dachte darüber nach. »Na gut«, sagte sie, »ich will aber kein Quengeln hören, wenn ich sage, ins Bett. In Ordnung?«
    »In Ordnung.« Ellen grinste bis über beide Ohren und ging zu einem Regal voller Taschenbücher, CDs und DVDs. Sie zog eine grellbunte Hülle hervor, machte sie auf und nahm vorsichtig die Scheibe heraus.
    »Sieh dir sich das an«, flüsterte Marie. »Sie ist eine echte Expertin.«
    Ellen ging zum DVD-Player unter dem Fernseher, drückte die Öffnen-Taste, legte die Scheibe auf den Einschub und ruckelte sie mit ihren kleinen Fingern zurecht. Dann schaltete sie den Fernseher an, wählte die richtige Programmnummer und sprang aufs Sofa. Zwischen Marie und Fegan war gerade noch genug Platz, dass sie sich dazwischenkuscheln konnte. Fegan sah, wie sie auf der Fernbedienung herumtippte, bis der Film loslief.
    »Du bist ganz schön schlau«, sagte er.
    Ellen blickte zu ihm auf, legte einen Finger an die Lippen - pssst! - und zeigte auf das Fernsehgerät. Fegan räusperte sich und gehorchte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Marie lächelte.
    Schon bald war Fegan vollkommen in dem Film versunken. Es ging um

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