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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Haus.
    »Gerry?«
    Er blieb stehen, als er die entfernte, blecherne Stimme hörte. »Mein Gott, Gerry, was ist los? So antworte doch!« Fegan griff in seine Tasche und holte das Telefon heraus. »Hallo, Marie«, sagte er.

»Sie haben noch mal Glück gehabt«, sagte der Arzt.
    Campbell war unschlüssig, ob er lächeln sollte oder nicht. Vor Schmerzen kniff er die Augen zusammen. Es war nicht die Wunde in seinem Oberschenkel, die der Arzt gerade zunähte. Die machte ihm erheblich weniger zu schaffen als die an der Seite, die ihm bei jedem Atemzug Höllenqualen verursachte.
    »Gleich fertig«, sagte der Arzt. Man hatte ihn in McKennas Bar bestellt, kurz nachdem Campbell sich hineingeschleppt und eine Blutspur auf dem Fußboden hinterlassen hatte. Jetzt lag Campbell auf einem Tisch im Hinterzimmer, und der pensionierte Hausarzt nähte ihm das kleine Loch im Bein zu.
    Fegans zweiter Schuss hatte ihn nur an der Seite gestreift und kaum Fleisch weggerissen, aber Campbell verstand genug von Schusswunden, um zu wissen, dass die Kugel mit einer Energie aufgetroffen war, als hätte man ihm mit einem Hammer auf den Brustkorb geschlagen. Ohne Röntgenaufnahme konnte der Arzt nicht mit Sicherheit sagen, ob die Rippe gebrochen oder nur geprellt war. Campbell wusste lediglich, dass es höllisch wehtat. Man hatte ihm einen Gazeverband über die Wunde geklebt. Er atmete kurz und flach, um nicht neue Höllenqualen heraufzubeschwören.
    »So«, sagte der Arzt. Campbell hörte, wie Operationsbesteck in eine Schale gelegt wurde. »Nicht weiter schlimm. Die Kugel hat Sie wirklich nur gestreift. Hat hinten am Oberschenkel ungefähr einen Zentimeter Fleisch weggerissen. Neun-Millimeter-Wunden sind immer schön sauber. Es ist zwar schon ein Weilchen her, seit ich einen von euch Jungs behandelt habe, aber glauben Sie mir, ich habe schon viel üblere Sachen gesehen.«
    Campbell machte die Augen auf und sah McGinty über sich stehen. Er trug immer noch den schwarzen Anzug von Caffolas Beerdigung. Campbell hatte ihn nicht hereinkommen hören. Sie sahen einander an, während der Arzt sich die Hände wusch und seine Instrumente einpackte.
    »Lassen Sie es die nächsten Tage ein bisschen ruhig angehen«, riet der Arzt. Er stellte ein Fläschchen mit Tabletten auf den Tisch. »Bleiben Sie möglichst liegen und nehmen Sie von denen hier drei am Tag. Das sind Antibiotika, für den Fall, das sich etwas entzündet.«
    »Danke, Kevin«, sagte McGinty. Er gab dem Arzt ein Bündel Geldscheine. Der Arzt nickte und ging.
     
    »Du hast Mist gebaut, Davy«, sagte McGinty.
    »Er war schneller als ich«, ächzte Campbell und zuckte schon bei dieser kleinen Anstrengung zusammen. »Selbst durchgeknallt ist er noch besser, als ich dachte.«
    »Das reicht mir nicht«, sagte McGinty. »Du hast mich im Stich gelassen, Davy. Ich bin sehr enttäuscht.«
    »Herrgott, was hätte ich denn machen sollen? Er hat mir eine Waffe in die…«
    »Du hättest ihn umlegen sollen!« McGinty schlug mit der Faust auf den Tisch, und Campbell jaulte auf, als die Erschütterung seinen Brustkorb durchrüttelte. »Du hättest das erledigen sollen, wofür ich dich losgeschickt hatte, anstatt vor ihm wegzurennen.«
    »Er hätte mich umgebracht.«
    McGinty beugte sich vor. »Und glaubst du etwa, ich mache das nicht?«
    »Es tut mir leid, Mr. McGinty. Ich habe nie …«
    »Schlimm genug, dass du ihn nicht erwischt hast, aber außerdem hast du auch noch dafür gesorgt, dass er auf der Straße rumballert. Die Bullen wurden gerufen. Er ist abgehauen, und jetzt suchen sie nach ihm. Unser Freund auf der Wache in der Lisburn Road hat Patsy Toner informiert. Falls sie ihn erwischen und er auspackt, dann kommt raus, dass er derjenige war, der Caffola und McKenna getötet und Eddie Coyle zusammengeschlagen hat. Und wie stehe ich dann da? Die Presse macht Hackfleisch aus mir! Ich bin der Depp der Nation!«
    »Hat mich jemand gesehen?«, fragte Campbell.
    »Jemand hat einen silberfarbenen Wagen gesehen, mehr haben sie aus den Nachbarn nicht herausgekriegt.« McGinty drohte Campbell mit dem Finger. »Und du hast noch verdammtes Glück, denn wenn sie drauf gekommen wären, dass du es warst, hättest du jetzt eine Kugel im Kopf.«
    Campbell richtete sich auf dem Tisch auf und biss die Zähne zusammen, um einen Schrei zu unterdrücken. Sein linkes Bein fühlte sich schwer und dumpf an und so, als würde ein Feuer in ihm brennen. »Haben wir irgendeine Ahnung, wo er hin ist? Vielleicht zu der

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