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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Gesicht glänzte.
    »Sie hatten keinen blassen Schimmer«, sagte Fegan.
    Campbell lehnte sich an die Wand und kämpfte gegen seine Übelkeit an. »Delaney hat gesagt, dass sie es waren. Er hat ihre Namen genannt.«
    »Er hat gelogen«, sagte Fegan.
    »Spielt keine Rolle«, antwortete Campbell. »McGinty wollte, dass sie sterben. Damit hat sich die Sache.«
    Fegan wischte sich mit dem Handrücken das Gesicht ab und hinterließ einen roten Striemen. »Ich habe gestern meine Mutter beerdigt«, sagte er.
    Campbell schwieg.
    Fegans Augen wurden glasig, er starrte irgendwo in die Ferne. »Sie hatte sechzehn Jahre nichr mehr mit mir gesprochen. Sie hat mir gesagt, dass sie sich dafür schämte, was ich getan habe. Das war das Letzte, was sie je zu mir gesagt hat. Sie haben mich rausgelassen, damit ich sie im Krankenhaus besuchen konnte. Aber sie ließ mich nicht in ihr Zimmer. Sie hat ihren Hass auf mich mit ins Grab genommen.«
    »Warum erzählst du mir das?«, fragte Campbell.
    Fegan kam wieder zu sich und sah Campbell an. Verwirrt runzelte er die Stirn. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Können wir gehen?«
    Campbell folgte ihm hinaus in die Dunkelheit. Während er sie zurück in die Stadt fuhr, behielt er ein Auge auf der Straße und eines auf Fegan. Das Herz hämmerte ihm in der Brust.
    Neun Jahre war das her.
    Und jetzt wusste Fegan über Campbeils Täuschung Bescheid. Wüsste er auch, dass Campbell ein Spitzel war? Vermutlich.
    Der Kontaktmann wollte Fegan tot sehen. McGinty wollte Fegan tot sehen. Campbell musste Fegan tot sehen, denn wenn McGinty die Wahrheit erfuhr … jedenfalls würde er Campbell keinen leichten Tod schenken.

Fegan wartete in der Dunkelheit. Von unten hörte er das geduldige Ticken der Uhr über dem Kamin des Priesters. Während das letzte Tageslicht von der nächtlichen Schwärze verschluckt wurde, maß sie geduldig die Zeit und schlug die Stunde. Kurz nach zehn. Maries Maschine nach London-Gatwick war möglicherweise schon in der Luft und irgendwo über der Irischen See. Ein Partner von McGinty sollte sie an ihrem Ziel abholen, wenn sie um elf landete, und sie an irgendeinen Aufenthaltsort bringen, den man für Ellen und sie arrangiert hatte. Damit blieb nicht viel Zeit, aber es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis Pater Coulter nach Hause gewankt kam. Caffola war mit Sicherheit schon unter der Erde, die letzten Reden waren bereits am Nachmittag gehalten worden. Und Pater Coulter musste sein Quantum eigentlich inzwischen intus haben.
    Hinter der offenen Tür des Schlafzimmers setzte sich Fegan auf den harten Holzstuhl des Priesters. Seine Verfolger wanderten in der Finsternis auf und ab. Manchmal war es schwer zu sagen, was Schatten war und was die Schimären. Wenn er sich konzentrierte, konnte er sie ausmachen, sie aus dem Dunkel herausschälen und von dem sie umgebenden Dämmerlicht unterscheiden. Erst versuchte er, sie aus seinem Blickfeld zu verbannen, dann wieder, sie bewusst hervorzuholen. Aber sie waren die ganze Zeit da und beobachteten ihn.
    Die ganze Zeit.
    Auch wenn Fegan todmüde war, bestand doch keinerlei Gefahr, dass er einschlief. Jedes Mal, wenn ihm fast die Augen zufielen, ließen ihn die Schreie seiner ständigen Begleiter wieder hochfahren. Es lagen noch lange Stunden vor ihm, aber er würde sich eben später unterwegs eine Mütze Schlaf gönnen. Bei der verlockenden Vorstellung eines weichen Hotelbettes irgendwo kilometerweit wegwar es für ihn einfacher, an das zu denken, was vor ihm lag. Er würde es Vater Coulter leicht machen. Immerhin war der ein Mann Gottes.
    Fegan rutschte auf dem Stuhl hin und her und versuchte, die Stiche loszuwerden, die in seinem Unterleib rumorten. Er spuckte nun schon seit Stunden kein Blut mehr, aber der Schmerz zerrte immer noch an seinen Gedärmen. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Pater Coulter hatte sein Haus immer gut beheizt, selbst in diesen für Belfaster Verhältnisse ungewöhnlich milden Frühlingstagen. Der schwere Mantel, den er im Schrank des Priesters gefunden hatte, machte die Sache nicht besser, aber er brauchte etwas, um zu vermeiden, dass Blut auf seine Kleidung kommen würde. Wenn er alles richtig machte, konnte das eigentlich gar nicht passieren, trotzdem musste er vorsichtig sein.
    Es war allerdings nicht nur die Hitze, die Fegan schwitzen ließ. Er kannte die Symptome noch aus der Zeit, als sein Vater versucht hatte, mit dem Trinken aufzuhören. Fast 48 Stunden waren nun schon vergangen, seit er sich

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