Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
Vom Netzwerk:
Frau?«
    »Nein.« McGinty gab Campbell sein Hemd. »Zieh dich an. Patsy Toner steht schon mit seinem Wagen vor ihrem Haus und hält ein Auge auf sie. Er wird dafür sorgen, dass sie zum Flughafen fährt und den Flug auch nimmt, den ich für sie gebucht habe.«
    »Warum legen wir sie nicht einfach um?«, fragte Campbell und zog sich unter Strapazen sein Hemd an. Unter dem rechten Ärmel hatte es ein ausgefranstes Loch.
    McGintys Augen flackerten. »Das ist meine Angelegenheit.«
    Campbell spürte, dass es nicht klug wäre, dem Politiker erneut zu widersprechen. Er kletterte vorsichtig vom Tisch und spürte ein Pochen im Oberschenkel. »Von mir aus. Aber Sie könnten die Frau doch immerhin benutzen, um Fegan aus der Deckung zu locken.«
    McGinty dachte einen Augenblick darüber nach. »Nein, zu riskant. Nicht, wo morgen früh die Pressekonferenz ansteht. Wenn irgendetwas schiefginge, wäre ich erledigt.«
    »Und was dann? Sollen wir etwa einfach warten, bis Fegan etwas unternimmt?«
    »Ich fürchte, wir haben kaum eine andere Wahl.«
    »Bei einer Sache hatte ich immerhin recht. Er ist wirklich hinter Ihnen her. Hinter mir übrigens auch. Und dann hat er noch von diesem Bullen geredet.«
    »Der Bulle kann selbst auf sich aufpassen.«
    »Magsein«, sagte Campbell. »Und Sie?«
     
    Eine Stunde später lag Campbell auf der abgewetzten Couch in seiner Wohnung in der University Street. Er hatte sich einen Eisbeutel an die Rippen gelegt und telefonierte.
    »So ein verdammter Mist!«, regte der Kontaktmann sich auf.
    »Hören Sie bloß auf«, gab Campbell zurück und zuckte sofort angesichts des Stechens in seinen Rippen zusammen. »Ich habe zwei Kugeln abgekriegt und eine Pistole in die Fresse, und dann hat mich auch noch Paul McGinty angebrüllt. Ich habe keine Lust, mir auch noch Ihren Scheiß anzuhören.«
    »Ob es Ihnen passt oder nicht, Sie werden ihn sich trotzdem anhören.«
    Noch bevor der Kontaktmann fortfahren konnte, hatte Campbell schon das Telefon zugeklappt und auf den Boden geworfen. Einer von McGintys Schlägern hatte ihn in seinem Focus zurück in seine Wohnung gefahren und es dann Campbell selbst überlassen, sich irgendwie die zwei Treppen hinaufzuschleppen. Der Barmann Tom hatte ihm zur Kühlung einen großen Beutel Eis mitgegeben, von dem das meiste inzwischen in dem kleinen Gefrierschrank lag, der in der winzigen Küche summte.
    Das Telefon am Boden vibrierte. Stöhnend griff Campbell danach und hob es auf. »Was ist?«
    »Wenn Sie noch einmal auflegen, lasse ich Ihre Deckung auffliegen. Ich lasse Sie hilflos da liegen, ohne einen einzigen Freund auf der Welt. Verstanden?«
    Campbell seufzte. »Verstanden.«
    »Na schön. Also, was passiert jetzt?«
    »Nicht viel«, erklärte Campbell. »Wir müssen einfach abwarten, bis Fegan wieder aus der Deckung kommt.«
    »In Ordnung. Wann und wo auch immer er auftaucht, ich will hoffen, dass Sie dann Gewehr bei Fuß stehen und ihn umlegen.«
    »Herrgott! Ich bin nicht in der Verfassung, um …«
    »Ist mir scheißegal«, unterbrach ihn der Kontaktmann. »Sie haben einen Job zu erledigen, also erledigen Sie ihn auch. Beten Sie lieber, dass Fegan nicht noch mehr Unheil anrichtet, bevor Sie ihn kriegen. Das hier ist für alle Beteiligten eine unerfreuliche Situation. Vielleicht hätten wir Sie gar nicht damit betrauen sollen. Sie machen das schon viel zu lange. Jetzt sehen Sie zu, dass die Sache nicht noch schlimmer wird.«
    Die Leitung war tot. Campbell warf das Telefon quer durchs Zimmer und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Seine Wut brannte ebenso lichterloh wie seine Wunden. Noch nie war er in fünfzehn Jahren Einsatz dem Tod so nahe gewesen. Noch nie hatte er solche Blessuren davongetragen. Und beinahe hätte Fegan, dieser Wahnsinnige, ihn sogar erledigt.
    Beinahe?
    Nein, beinahe stimmte nicht. Mit Sicherheit hätte Fegan ihn umgelegt, wenn da nicht das Telefon geklingelt hätte. Nichts als schieres Glück hatte Campbell gerettet. Bei dem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken.
    Und dann war da noch eine wichtigere Frage, eine weitaus beunruhigendere Vorstellung. Wieso hatte Fegan Bescheid gewusst? Denn er hatte ja vollkommen recht, von den UFF-Burschen war nie auch nur die geringste Bedrohung ausgegangen. Die Ulster Freedom Fighters waren der militante Flügel der Ulster Defence Association, eine protestantische Bewegung aus der Arbeiterklasse, die für sich in Anspruch nahm, ihre Leute vor den Republikanern zu schützen. In Wahrheit waren es

Weitere Kostenlose Bücher