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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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seiner Stirn und plättete seine Haare darüber. »Ich bin hingefallen.«
    Für einen Sekundenbruchteil starrte Marie Fegan an, dann sagte sie: »Mary Ferris.« Sie zeigte auf ihre Tochter. »Das ist Ellen.« Mit einer Lüge in diesem Punkt würde sie wohl kaum durchkommen.
    Taylor schüttelte Marie die Hand. »Klopfen Sie morgen früh einfach ans Fenster«, sagte er. »Keine Sorge, wir kriegen Sie schon noch satt, wenn Hopkins sich nicht aufraffen kann.« Er lehnte sich auf seinem Hocker vor und flüsterte grinsend: »Außerdem kann ich besser kochen.«
    Jenseits der Fensterläden wisperte seufzend das Meer. In der fast völligen Finsternis konnte Fegan die sechs Schatten kaum ausmachen. Aber hören konnte er sie. Sobald ihm die Augen zufielen und sein Kopf nach vorne nickte, fing das Kreischen an. Und das Schreien des Säuglings. Irgendwo auf der anderen Seite des Raumes lagen Marie und Ellen, klammerten sich aneinander an diesem ungewohnten Ort. Hier und da hörte Fegan das kleine Mädchen wimmern. Sie schien auch nicht besser schlafen zu können als er. Der Sessel, in dem er lag, war gut gepolstert, und da er die Beine auf Maries Koffer gelegt hatte, hatte er es eigentlich einigermaßen bequem, selbst mit den Schmerzen in seinem Unterleib.
    Schweiß stand ihm auf der Stirn. Als er ihn mit der Hand abwischte, zitterte sie. Seine Kehle wurde umso trockener, je mehr er an die Bar unten dachte und die Flaschen, die da aufgereiht gestanden hatten wie Huren in einem Bordell. Er stellte sich einen warmen Whiskey auf seiner Zunge und ein kühles Stout auf seinen Lippen vor.
    Maries gleichmäßiger Atem konterkarierte das Rollen der Wellen draußen am Strand. Fegan fing an, im gleichen Rhythmus zu atmen wie sie, und seine Gedanken schweiften ab, von einer Erinnerung zur nächsten. Zu den verschiedensten Orten und Menschen, manche hell wie ein Sommertag, andere grau und trüb. Er musste an die Tage vor der schlimmen Zeit denken, bevor er gewusst hatte, dass nicht alle Väter so waren. Er dachte an seine Mutter und wie kuschelig warm es in ihrem Arm gewesen war. An ein Tor, das sie sie mit Kreide an eine Mauer gemalt hatten, und an die fünf Jungs mit nacktem Oberkörper, die an jenem Augustabend lachend, rennend und schubsend darauf geschossen hatten. An Julie, die gar nicht weit weg gewohnt hatte und trotzdem hätte sie ebenso gut aus einem anderen Land kommen können. Sie hatte mit ihm eine Tüte Sahnebonbons geteilt, und danach hatte ihr Vater sie grün und blau geschlagen dafür, dass sie sich mit seinesgleichen herumtrieb. Während der Kopf ihm schon wegsackte, erinnerte Fegan sich noch an ihre Worte und die rote Schwellung auf ihrer Lippe. Du bist einer von den anderen, hatte sie erklärt. Daddy sagt, ich darf mit dir nichts zu tun haben.
    Gerade fiel er kopfüber ins Dunkle, als der Cop zu schreien anfing und ihn zurückriss. Dann kamen die anderen aus der Finsternis hervor und schrien mit, bis sie Fegan wieder wachgerüttelt hatten. Ellen wälzte sich unruhig auf dem Bett hin und her und stieß hier und da leise Schreie aus. Fegans Kopf fühlte sich so schwer an wie nasser Ton. Er hatte ihnen doch den Priester geliefert. Warum ließen sie ihn nicht in Ruhe?
    Nein. Der RUC-Mann wollte Genugtuung. Fegan erkannte ihn unter den sechsen, er kam auf ihn zu.
    »Na gut«, flüsterte Fegan in der Dunkelheit. »Morgen Abend. Bitte, wenn ich es morgen Abend mache, könnte ihr mich dann nicht einmal ein bisschen in Ruhe lassen? Nur für ein paar Stunden?«
    Der RUC-Mann verharrte noch einen Augenblick, dann verlor er sich in der Finsternis. Ellen stieß einen so leisen Schrei aus, dass Fegan nicht sicher war, ob er ihn sich nicht nur eingebildet hatte.
    »Aber ich will auch nicht träumen«, raunte er. »Bitte lasst mich nicht träumen.«
    Er suchte die Dunkelheit nach ihnen ab, suchte nach einem Versprechen, dass sie ihn vor dem Entsetzen bewahren würden, das seinem Kopf bevorstand. Da trat die Frau aus der Finsternis hervor und legte einen Finger an den Mund.
    »Danke«, flüsterte Fegan.
    Er schloss die Augen.

Edward Hargreaves war außer Atem, als er ans Telefon ging. Das Laufband surrte unter seinen Füßen. Zwei Meilen in weniger als zwanzig Minuten - nicht schlecht. Doch seine gute Laune verpuffte sofort, als die Frauenstimme ihn informierte, am anderen Ende sei der Chief Constable.
    »Sie können jetzt sprechen«, flötete sie.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte Pilkington.
    »Himmel, was ist jetzt schon wieder?«, fragte

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