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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Spuren auf ihren Hüften und Schenkeln. »Ich mache es wieder weg«, rief er. »Bitte lass es mich wegmachen.«
    Dann fing sie an zu schreien, wand sich unter ihm und kratzte. »Lass mich in Ruhe!«, schrie sie. »Geh weg von mir! Hilfe! Hilfe! HILFE!«
    Er wusste nicht, nach wem sie schrie, wer ihr helfen sollte oder von wem sie gerettet werden musste. Doch wohl nicht von ihm? Nein, von ihm nicht. Unmöglich. Es war doch nur ein bisschen Blut. Wenn sie bloß ein bisschen stillhalten würde, konnte er es wegwischen. Aber sie wollte einfach nicht stillhalten. Sie trat und schrie immer weiter, dabei wollte er es doch nur wiedergutmachen, aber die Hand auf seiner Schulter ließ ihn nicht. Sie schüttelte ihn immer wieder und hielt ihn von ihr zurück, die Hand presste und schüttelte, und jetzt sagte der Besitzer der Hand etwas, er redete, aber er musste doch Marie saubermachen, alles wiedergutmachen, aber die Hand hörte nicht auf, ließ ihn nicht in Ruhe …
    »Sie können noch im Flugzeug schlafen, Kumpel.«
    Fegan schlug die Hand weg, riss die Augen auf und griff nach seiner Tasche, wo das Messer steckte, kühl und still.
    Der Busfahrer machte einen Schritt zurück und blinzelte zu ihm hinab. »Meine Güte, immer mit der Ruhe, Kumpel. Ich wollte Ihnen doch nur sagen, dass wir da sind.«
    Verwirrt blickte Fegan sich um. Der Bus war nur schwach beleuchtet. Draußen betraten oder verließen ein paar nächtliche Reisende den Terminal. Sein Herz raste wie ein überdrehter Motor. Auf der Stirn stand ihm der kalte Schweiß. »Entschuldigung«, sagte er. »Danke.«
    Er nahm seine Sporttasche und lief durch den Mittelgang, den misstrauischen Blick des Fahrers auf seinem Rücken. Er trat hinunter auf den Bürgersteig, und die Tür schloss sich zischend. Der Bus fuhr ab und ließ Fegan zurück, der von der anderen Seite des Zebrastreifens aus den Terminal beobachtete. Zwei Beamte der Flughafenpolizei standen plaudernd zwischen dem Eingang und dem Ausgang, über ihren kugelsicheren Westen hingen MP 5-Maschinenpistolen.
    Fegan wusste, dass man nach ihm suchen würde, wenn er in die Nähe des Terminals kam. Die Sicherheitsvorkehrungen heutzutage waren strenger als zur Hochzeit der Konflikte. Ein Krieg in einer Wüste Tausende von Meilen weit weg machte ihnen mehr Angst als ein Krieg auf ihrer Türschwelle. Fegan holte das Telefon aus der Tasche und wählte Maries Mobilnummer. Er presste das Telefon fest an sein Ohr und schloss die Augen. Als sie dranging, fühlte es sich an, als sei etwas Kleines in ihm geplatzt und habe seine Wärme verströmt.
    »Ich bin da«, sagte er.
     
    »Du hättest fliegen sollten«, sagte Fegan.
    »Auf keinen Fall«, antwortete Marie. Ihr Renault Clio röhrte dumpf, als sie durch den Kreisverkehr, der vom Flughafen wegführte, und weiter nach Norden fuhr. Auf der Rückbank döste Ellen in ihrem Kindersitz. Sie war kaum wach geworden, als ihre Mutter sie und einen Koffer nach draußen geschleppt hatte, wo Fegan wartete.
    »Es wäre aber sicherer gewesen«, beharrte er.
    »Vielleicht«, sagte sie und ließ wütend die Gänge knirschen. »Aber dann müsste ich mit dem Wissen leben, dass ich mir von einem dahergelaufenen Gangster mit politischem Getue habe vorschreiben lassen, wo ich meine Tochter großziehen darf. Nein danke! Lieber lebe ich in Angst bei mir zu Hause als in Schande bei jemand anderem.«
    »Tust du nicht«, widersprach Fegan und drehte sich kurz zu Ellen um.
    »Jede Wette«, beharrte Marie mit einer Entschiedenheit, die Fegan signalisierte, das Thema lieber fallenzulassen. »Herrgott, schon dieses ganze Theater im Flughafen. Ich konnte sehen, wie Patsy Toner mir die ganze Strecke in seinem dämlichen Jaguar hinterhergefahren und mir dann auch noch in den Terminal hinterhergekommen ist. Meine Güte, ich hoffe nur, dass McGinty den mal nicht braucht, wenn es darauf ankommt, unauffällig vorzugehen. Wie auch immer, ich habe also eingecheckt und meine Bordkarte bekommen, bin dann durch die Sicherheitsschleuse und erst, als unser Flug aufgerufen wurde, habe ich gesagt, dass ich nicht mitfliege. Lieber Himmel, die hättest du mal sehen sollen! Was für ein Trara. Diese Kleine, die Stewardess, hat ein Gesicht gemacht, als hätte sie Pisse von einer Brennnessel geschleckt.«
    Marie schäumte vor Wut. Fegan verhielt sich still.
    »Die hätte mich am liebsten erdolcht, weil sie jetzt meinen Koffer wieder aus dem Frachtraum holen mussten. Das hat sie beinahe 40 Minuten gekostet, und dann mussten sie

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