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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Gedanken, dass er nicht wusste, was ihm lieber war, fröstelte ihn.
    »Da sind wir«, sagte Marie. »Hopkirk’s.«
     
    »O nein«, beschied sie Hopkirk. »Nein und noch mal nein.«
    Hopkirk war ein großer, hagerer Mann fortgeschrittenen Alters mit verwegenem weißem Haarschopf. Er trug einen Spitzbart und eine Brille mit dicken Gläsern. Beim Sprechen hob er die Nase und schloss die Augen, so als verströmten seine Worte einen guten Duft.
    »Das kommt gar nicht in Frage«, erklärte er von der anderen Seite der Theke her. Ein Gast saß auf einem Hocker und verfolgte das Geschehen, seinen Whiskey und einen Krug mit Wasser griffbereit. Fegan linste verstohlen auf das Glas und schluckte.
    »Ach bitte, wir können doch sonst nirgends hin«, bettelte Marie und wiegte Ellen in ihren Armen. Das kleine Mädchen rieb sich quengelnd die Augen.
    »Die Zimmer sind nicht gelüftet und die Betten nicht gemacht«, erklärte Hopkirk. »Ich vermiete schon seit Jahren keine Zimmer mehr.«
    »Wenn Sie Laken haben, mache ich das Bett selbst«, bot Marie an. »Und wenn nicht, dann tut es auch nur die Matratze. Es ist schon so spät, und mein kleines Mädchen muss doch irgendwo über Nacht bleiben.«
    Es war in der Tat schon spät, fast zwei Uhr morgens. Die Öffnungszeiten der Bar schienen sich nach einer lockeren Übereinkunft zwischen Wirt und Zecher zu richten. Der Gast war ein beleibter, gutgekleideter Mann um die Sechzig mit tiefer, kultivierter Stimme. »Jetzt kommen Sie schon, Hopkirk«, sagte er mit einem verschlagenen Grinsen. »Haben Sie denn gar kein Mitleid?«
    Hopkirk warf seinem Gast einen tadelnden Blick zu. »Ich habe nichts zum Frühstück im Haus«, sagte er. »Wirklich, ich kann gar nichts für Sie tun.«
    Fegan setzte seine Tasche auf dem Fußboden ab und wühlte darin herum, bis er gefunden hatte, was er suchte. Ganze Generationen von Lackschichten bedeckten die Theke. Fegan legte ein Bündel Geldscheine auf die flaschengrün schimmernde Oberfläche. Hopkirk und der Gast sahen erst das Geld, dann einander und dann wieder das Geld an.
    Mit der Fingerspitze breitete Hopkins die Banknoten aus.
    »Wie lange können wir dafür bleiben?«, fragte Fegan.
    »Ein ganzes Weilchen«, gab Hopkirk zurück, ohne die Augen von den Scheinen zu nehmen. »Was den Service betrifft, kann ich Ihnen keine Versprechungen machen. Sie müssen sich selbst um die Mahlzeiten kümmern und haben auch kein warmes Wasser.«
    »Das macht nichts«, sagte Marie.
    »Warten Sie hier.« Hopkins kam hinter der Theke hervor und verschwand in einem dunklen Flur.
    Die Theke mit der lackierten Verkleidung und die Blümchentapete sahen so aus, als sei hier seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden. Auf dem Boden lag ein fadenscheiniger Teppich, der nicht annähernd bis zu den Wänden reichte. Eine Seite des Raumes dominierte ein riesiger Kamin, in dem die letzte Glut seufzend knisterte, so als lege sie sich zur Nachtruhe. Fegan ließ seinen Blick über die Flaschen hinter der Theke wandern und schluckte. Einige davon sahen aus, als seien sie so alt wie er selbst.
    Von seinem Hocker aus musterte der einsame Zecher Fegan und Marie. »Und Sie konnten sich also um zwei Uhr morgens keinen schöneren Ort vorstellen als Portcarrick?«, fragte er. Trotz dieser kleinen Spitze wirkte sein Grinsen freundlich.
    »Es war nur so eine spontane Idee«, sagte Marie. Ellen war inzwischen wach geworden. Marie setzte sie auf die lackierte Theke.
    »Wo sind wir?«, fragte das Mädchen.
    »Wir sind in den Ferien«, sagte Marie. »Am Meer.«
    Ellen nahm die Antwort ohne Gegenfrage hin. »Ich habe Hunger«, sagte sie.
    »Wir besorgen dir ein paar Kartoffelchips.«
    »Ich wohne in dem Cottage nebenan«, sagte der Gast. »Wenn Hopkirk morgen früh nichts Anständiges auf den Tisch bringt, schreien Sie einfach um Hilfe. Ich bin sicher, ich und meine bessere Hälfte können Ihnen was brutzeln.«
    Marie lächelte ihn an. »Das ist sehr nett von Ihnen.«
    »Nicht der Rede wert«, sagte der Mann. Er sah Fegan an. »Sie sehen ganz so aus, als könnten Sie auch mal was zwischen die Rippen gebrauchen.«
    Fegan nickte und erlebte das seltsame Sinnesgefühl, dass seine Lippen sich zu einem Lächeln bogen. Solche Freundlichkeit kannte er nicht.
    Albert Taylor, stellte der Zecher sich vor und streckte die Hand aus. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Waren Sie etwa im Krieg?«
    Fegan schüttelte seine Hand. »George Ferris«, sagte er. Er hob seine rechte Hand zu der Hautabschürfung auf

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