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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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ein, über den stetigen Wettlauf zwischen Dicke der Panzerung und Größe der Geschütze, und das Sicherheitsgefühl schwand innerhalb kürzester Zeit. Sören empfand die Enge auf den Fluren und Gängen als bedrückend. Die niedrigen Decken, die einem ausgewachsenen Menschen gerade eben erlaubten, aufrecht stehen zu können, ohne mit dem Kopf an irgendwelche Rohre oder Leitungen zu stoßen, machten ihm anfangs am meisten zu schaffen; erst nachdem er sich mit den Örtlichkeiten zwischen den Decks vertraut gemacht hatte, schwand das Gefühl der Beklemmung.
    Die Kombüse war überraschend geräumig, was auch verständlich war, wenn man sich die Größe der späteren Mannschaft des Schiffes vor Augen führte. Aber heutefuhr das Schiff mit minimaler Besatzung. Sören und die anderen Stewards erhielten ihre Instruktionen. Dem Plan nach sollte es erst einen kleinen Empfang an Bord des Schiffes geben, dazu sollten Sekt, Kaffee und Gebäck sowie Schorle gereicht werden. Anschließend würde das Schiff unter Führung von Werftkapitän Heinrich Wahlen ablegen und in Richtung Elbmündung dampfen. Bei der Fahrt sollte zunächst die Maschinenleistung getestet werden, dann würde der zukünftige Kommandant, Kapitän zur See von Heeringen, das Schiff übernehmen und weitere Tests durchführen. In den Pausen zwischen den unterschiedlichen Manövern standen Erbsensuppe, Aal grün und später Bratäpfel auf dem Programm.
    Zuerst jedoch ging es in den Besprechungsraum, wo die Meister für den Bau Seiner Majestät Schiffe bei Blohm + Voss, Wroost, Stössel und Kaufmann sowie Untermeister Masur, Oberingenieur Dreyer vom Kriegschiffbaubüro der Werft und Oberingenieur Winter vom Kriegschiff-Maschinenbau-Büro zusammengekommen waren. Diese Herren sollten der Prüfungskommission der Marine Rede und Antwort stehen.
    Das Balancieren der Tabletts mit den Kaffeebechern war gewöhnungsbedürftig, doch nach ein paar Runden hatte Sören den Dreh raus. Er beeilte sich beim Gehen, denn er befürchtete stets, irgendwelche wichtigen Informationen zu verpassen. Die übrige Zeit stand er gemeinsam mit Lars und Otto am Rande des langen Tisches und wartete, die Ohren gespitzt wie ein Luchs, auf Bestellungen. Schmidleins Idee war wirklich ausgezeichnet gewesen. Wenn man nachher in der Deckoffiziersmesse und auf der Brücke zur Sache kommen sollte, konnte ihm nichts entgehen. Aber hier im Besprechungsraum, der eigentlich die Messe der Seekadetten war, erfuhr ernichts Spannendes. Die Gespräche kreisten um Planung und Ablauf der zu erwartenden Manöver und dienten der Absprache, wer zu welchen Fragen der Kommission Stellung nehmen würde.
    Die heutige Mannschaft bestand größtenteils aus Maschinisten und werkseigenem Personal, da das Schiff erst in Wilhelmshaven vollständig von der Marine ausgerüstet werden sollte. Danach würde der Großteil der zukünftigen Mannschaft, die Matrosen und Seekadetten sowie die Deckoffiziere, an Bord kommen. Aus diesem Grund und weil die Marine das Schiff noch nicht abgenommen hatte, absolvierte man die Probefahrt auch unter Handelsflagge. Ein kleiner Teil der zukünftigen Mannschaft befand sich dennoch bereits an Bord, was Sören aus den mit blauen Kurzjacken und Schirmmützen bekleideten Männern schloss, denen er immer wieder auf den Gängen begegnete. Das Läuten einer Schiffsglocke kündigte schließlich das Eintreffen der erwarteten Gäste an.
    Auf Wunsch der Kommission hatte man von einer offiziellen Begrüßungszeremonie im Freien Abstand genommen, es gab weder eine Kapelle noch in Reih und Glied stehende Militärs oder das sonst übliche Brimborium eines Festakts. Nacheinander kamen die Gäste an Bord, und innerhalb kürzester Zeit wimmelte es auf den Gängen von zweireihigen Röcken mit goldenen Knöpfen, Moirébändern, Goldtressen, Kokarden, goldenen Litzen und geschmückten Achselklappen. Wenn man sich, was die militärischen Ehren betraf, bei der Marine auch noch so zurückhaltend gab, auf den exakten Sitz der dekorativen Kleidung sowie die damit verbundene Geheimsprache unterschiedlichster Rangabzeichen mochte niemand verzichten.
    Das verabredete Begrüßungsprozedere vor der Mannschaftsmesse fiel überraschend knapp aus. Ein paar freundliche Handschläge, hier und dort ein kurzer militärischer Gruß, keine großen Reden oder Ansprachen. So, wie es aussah, kannte man sich und wollte so schnell wie möglich zur Sache kommen und in See stechen. Sören und die anderen Bediensteten waren angehalten, sich

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