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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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sich die Stärke des Schiffes erst zeigen, wenn wir auf dem offenen Meer sind, aber wie bisher zu sehen war, entspricht die Arbeit der Werft exakt unseren Vorgaben   … Ihren Vorgaben», verbesserte er sich.
    Der Monarch machte eine beiläufige Handbewegung, ohne den Blick vom Bug des Schiffes abzuwenden. «Nun, es waren ja nur ein paar Skizzen und Ideen meinerseits   … Über die genauen technischen Details erwarte ich dann zu entsprechender Zeit einen Bericht Ihres Ministeriums. Aber es ist schon beruhigend zu wissen, dass wir nun auch mit meinen Schiffen gegenüber anderen Mächten nicht mehr hintanstehen werden, sondern die uns zustehende Führung übernommen haben.»
    «Was die Gesamtstärke Ihrer Flotte betrifft, haben wir das Ziel noch vor Augen, Eure Majestät.» Von Tirpitz lächelte gequält. «Aber ich bin guter Dinge, dass wir indrei bis vier Jahren gleichauf sind. Die neueste Schiffsgeneration ist hinsichtlich unserer Schlagkraft auf jeden Fall sehr vielversprechend.»
    Seine Majestät nickte anerkennend. Sören war dem Kaiser bisher noch nie so nah gekommen. Bislang hatte er alle offiziellen Anlässe, zu denen sich Wilhelm   II. in der Stadt aufgehalten hatte, gemieden, oder er hatte nur als unbeteiligter Zuschauer aus großer Distanz teilgenommen, wie etwa bei den Feierlichkeiten zum Zollanschluss der Stadt.
    Nun, als Lakai verkleidet, musste er Ehrerbietung heucheln, wo im wahren Leben doch nur wenig Demut vorhanden war. Aber diese Selbstverleugnung war Zweck der Sache, anderenfalls wäre er kaum in der Lage gewesen, an die vertraulichen Informationen zu gelangen, deren es bedurfte, um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Dennoch tauchten immer mehr Fragen auf. Was hatte es mit diesem Schiff auf sich, das angeblich in Brunsbüttel auf sie wartete? Und welches Ziel steuerten sie an? Und warum waren nur wenige an Bord über die wahren Hintergründe informiert? Es schien sogar so, dass selbst Seine Majestät nicht eingeweiht war. Sören fragte sich, ob er das Ruder überhaupt noch in der Hand hatte. Was er aus dem Gespräch zwischen von Tirpitz und von Koester hatte heraushören können, hatte bei Sören sofort die Alarmglocken schrillen lassen. War es wirklich so, dass von Tirpitz und sein Stab vom Marineministerium inzwischen freie Hand hatten, was die Aufrüstung der Reichsflotte betraf, oder wurden dort sogar Entscheidungen hinter dem Rücken Seiner Majestät getroffen?
    Sören konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zumindest von Tirpitz und von Koester die fachliche Kompetenz Seiner Majestät in Sachen Marine nur bedingternst nahmen. Und der Kaiser selbst? Anscheinend gefiel er sich in der Rolle des gönnerhaften Monarchen, der im jovialen Umgang mit seinem Marinestab und den Schiffskommandanten aufging, als zählte er selbst zu den schlachterprobten Seebären. Die Feldherrnpose, mit der er nach wie vor an der eisernen Balustrade verweilte, den Blick in weite Ferne gerichtet, ließ so etwas vermuten.
    Die anderen waren inzwischen in den Steuerstand zurückgekehrt, und Sören übte sich in Regungslosigkeit hinter Seiner Majestät Rücken. Je länger er den Monarchen betrachtete, der nach wie vor unerschütterlich die Nase in den Wind hielt, nur hin und wieder mit der Hand den korrekten Sitz seines Bartes kontrollierte, als säße er für ein Bildnis Modell, desto mehr wirkte es, als kämpfte er vielleicht doch nur krampfhaft gegen eine Laune der Natur. Das Schiff machte aufgrund der hohen Fahrt deutliche Rollbewegungen durch die Wellen. Da kam es schon mal vor, dass sich ein flaues Gefühl im Magen breitmachen konnte. Sören hielt es daher für angemessen, sich ebenfalls zurückzuziehen.
    Nachdem das Schiff die letzte Flussbiegung vor Brunsbüttel hinter sich gelassen hatte, nahm Kapitän Wahlen auf Anweisung Admirals von Koester die Maschinenleistung zurück. Etwa eine halbe Meile vor der Schleusenanlage ließ er die Maschinen schließlich stoppen. Auf die Distanz war mit bloßem Auge zu erkennen, dass dort tatsächlich ein weiteres Kriegsschiff auf Reede lag. Wie es aussah, handelte es sich ebenfalls um ein Linienschiff, wahrscheinlich war es sogar ein Schwesterschiff. Das schloss Sören zumindest aus der Silhouette   – Aufbauten und Geschütztürme waren genauso wie bei diesem Schiff angeordnet.
    Die Kommandanten beobachteten das Schiff durchihre Gläser. Zu gerne hätte Sören die weiteren Gespräche auf der Brücke mitbekommen, aber der Proviantmeister gab Anweisung zum

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