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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Wall und Bengt Sundlöf, begannen, die Leiche zu entkleiden. Die Klebefolie hatten sie angebracht, um mögliche Spuren eines Mörders zu sichern. Haare, Fasern, Haut, Staub, Steine.
    Göran Beier sprach leise in sein Diktiergerät, während sie die Frau entkleideten, und nahm so seine Beobachtungen auf: Schäden, Zustand, Aussehen der Kleidung. Dann legten die beiden Techniker die einzelnen Stücke vorsichtig, eins nach dem andern, in je einen Papiersack.
    Als der Körper nackt war, begann Pia Erikson mit der Obduktion, zunächst mit der äußeren Besichtigung, während die Assistenten die Leiche aus jedem erdenklichen Winkel fotografierten. Pia Erikson beschrieb laut alle sichtbaren Verletzungen. Auch sie sprach in ein Diktiergerät. Winter hörte, wie sie die Verletzungen aufzählte, die er selbst an den Unterarmen der Leiche bemerkt hatte und die wahrscheinlich von Gegenwehr herrührten. Er konnte die Punkteinblutungen sehen, die entstanden waren, als der Blutdruck gestiegen war, weil die Gefäße vom Kopf abgeschnürt wurden und als das Zungenbein gebrochen und sie zu Tode gewürgt worden war -wenn das tatsächlich die Todesursache war. Pia sprach von Würgemalen an der Kehle. Sie hatten sie vorher nicht sehen können, weil die Frau ein Polohemd getragen hatte. Nun fanden sich an ihrem Hals deutlich blaue Flecken.
    Dazu hatte sie weiße Flecken auf Bauch und Brust und an der Vorderseite der Oberschenkel. Sie hatte auf dem Rücken gelegen, als sie aufgefunden worden war. Das bedeutete, man hatte sie erst an den Fundort gebracht, als sie schon tot war. Winter konnte also ausschließen, dass sie Selbstmord begangen hatte und hinterher von jemand anders weggebracht worden war. Oder konnte es trotzdem so gewesen sein?
    Fest stand nur, dass sie mindestens eine Stunde auf dem Bauch gelegen hatte, nachdem der Tod eingetreten war. Der Blutdruck war gesunken, weshalb sich alles Blut an den tiefsten Körperstellen gesammelt hatte. Außer dort, wo ihr Gewicht auf dem Gewebe gelastet hatte. Dort war das Blut aus dem Gewebe gepresst worden, sodass sich diese weißen Flächen gebildet hatten, die nun hier im Licht der grellen Lampen leuchteten.
    Die Techniker nahmen dem Opfer die Fingerabdrücke ab.
    Pia Erikson Fröberg fuhr mit der kostspieligen gerichtsmedizinischen Untersuchung fort, um die Göran Beier sie ausdrücklich gebeten hatte. Die Tür ging auf, und Winter hörte die Klänge eines Radios. Musik, die undefinierbar war. Aber er verfolgte Pias Arbeit weiter, ohne den Blick zu heben. Er hatte auf irgendein deutliches Zeichen gehofft, das ihnen bei der Identifizierung helfen würde: Tätowierungen, Narben von Verbrennungen oder Operationen, ein Piercing. Doch da war nichts als glatte blauviolette oder weiße Haut. Er hatte keinen Anhaltspunkt.
    »Sie hat sich nicht die Haare gefärbt«, erklärte Pia Erikson.
    Winter antwortete nicht. Er schaute sich noch einmal das Gesicht der Toten an und versuchte, es sich in Bewegung vorzustellen, als noch alle Nerven und Muskeln unter der Oberfläche funktionierten, alles, was für ein Lächeln, eine Grimasse erforderlich war.
    »Wie alt ist sie?«, fragte er.
    »Ungefähr dreißig, würde ich jetzt sagen. Aber du musst dich noch gedulden. Sie kann auch älter oder jünger sein, einige Jahre mehr oder weniger. Die Haut ist recht zart. Glatt um den Mund und an den Augen.«
    »Keine Lachfalten?«
    »Vielleicht hatte sie nicht so viel, worüber sie sich freuen konnte«, sagte Pia Erikson Fröberg, und Winter grübelte kurz, warum sie wohl so eine Bemerkung fallen ließ. »Aber nun ist Schluss mit der Traurigkeit. Bleibst du da, wenn ich mit der medizinischen Untersuchung beginne?«, fuhr Pia Erikson fort.
    »Ich bleibe noch ein wenig«, sagte Winter.
    »Aber ich gehe jetzt«, verkündete Beier mit einem Blick auf Winter. »Ich rufe dich an.«
    Winter nickte. Er wandte sich wieder dem Gesicht der Frau zu. Sie wirkte älter, jetzt, nachdem ihr die Augen geschlossen worden waren. Die Beleuchtung erzeugte scharfkantige Schatten um ihren Körper. Es sah aus, als würde sie vom Licht durchbohrt.
    Pia Erikson hatte sich die inneren Organe angesehen, den Mageninhalt aufbewahrt, eine Urinprobe entnommen sowie eine Blutprobe aus der Schenkelvene. Winter verließ den Obduktionssaal zwischendurch, um Ringmar anzurufen.
    »Warum treibst du dich da noch rum?«, fragte Ringmar.
    »Ich dachte, es würden Hinweise auftauchen, die bei der Identifizierung helfen«, antwortete Winter.
    »Ja, vielleicht.

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