Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Haus.
    Sie brauchten endlich ein Zimmer, ein Haus oder eine Wohnung. Wenn sie schon keinen Namen hatten, brauchten sie einen Raum, einen Ort, wo sie mit den Ermittlungen anfangen konnten. Es gab nicht viele Möglichkeiten, wenn sie nicht bald eine Adresse als Ausgangspunkt hatten.
    Er zog die linke obere Schreibtischschublade auf, nahm einen Umschlag heraus und öffnete ihn. Weitere Fotos vom Fundort lagen darin. Er versuchte sich vorzustellen, was in den Minuten geschehen war, kurz bevor jemand die Tote dort abgelegt hatte. Vielleicht war sie von der anderen Seite des Grabens dorthin getragen worden, durch Wald und Gestrüpp, über das Moor. Ein starker Mann könnte das. Sie wog nicht mehr als 55 Kilo. Die Druckstellen an ihrem Hals stammten wahrscheinlich von kräftigen Fingern und großen Händen, aber das war offiziell noch nicht gesichert.
    Sie musste getragen worden sein. Bisher hatten sie keine Schleifspuren auf dem Parkplatz, dem Weg oder im Gras gefunden. Der Parkplatz. Jemand hatte sie dorthin gefahren, aus dem Auto gehoben und zum Graben getragen. So konnte es sich abgespielt haben. War sie mit einem der Autos, die dort standen, hergebracht worden? Vielleicht. Mit einem der beiden gestohlenen Wagen? Warum nicht. Er würde es bald wissen. Jemand ermordet einen Menschen, geht runter auf die Straße, stiehlt ein Auto, legt die Leiche hinein und fährt weg. Würdest du es so machen, wenn du jemanden ermordet hättest, Winter? Würdest du zum Delsjö-See fahren? Warum gerade dorthin? Warum wurde die Leiche dort abgelegt? Wie viele unserer bekannten Gewalttäter erwürgen gern ihre Opfer? Haben sie irgendwelche Lieblingsorte oder -gegenden? Was wissen wir über den Fundort? Was ist vorher geschehen, rund um diesen Parkplatz oder an dieser Bucht? Hatte sich dort nicht vor ein paar Jahren eine Bande Satanisten herumgetrieben?
    Der See. Vielleicht war die Leiche ja auch mit einem Boot hergebracht worden. Um den ganzen See konnten Leute etwas bemerkt haben. Fast zehn Kilometer Uferlinie. Wie schleppte man eine Tote ins Boot, ohne gesehen zu werden?
    Gab es nicht Jogger, die nachts um den See liefen? Bei Joggern konnte man nie wissen.
    Hinter der Wahl eines Fundortes steckt immer etwas, dachte Winter. Auch wenn es dem Mörder selbst gar nicht bewusst ist. In seiner Wahl findet sich ein Anhaltspunkt für uns. Irgendetwas veranlasst ihn, zu genau dieser Stelle zu fahren. Etwas in seiner Vergangenheit.
    Der Ort. Von dem müssen wir ausgehen. Dort werde ich anfangen. Ich fahre zurück.
    Winter legte den Umschlag in die Schreibtischschublade, schloss sie und stand so hastig auf, dass ihm für den Bruchteil einer Sekunde schwindelig wurde.
    Winter hatte vor einiger Zeit schon Hunger gehabt. Der war zwar weg, aber er musste trotzdem etwas essen. Er nahm das Auto für die kurze Strecke zum Chinarestaurant in der Folkungagatan, wo er eine Kleinigkeit aß und einen Liter Wasser trank.
    Die anderen Gäste um ihn herum trugen Hemden und Kleider, die schweißnass waren. Keiner machte sich mehr etwas daraus.

8
    Auf der Höhe des Liseberg-Vergnügungsparks hörte Winter im Auto die Lokalnachrichten. »Die Polizei hat noch keine Spur von...« Es war die Wahrheit, wer auch immer das dem Radio Göteborg mitgeteilt hatte. Am Nachmittag würde er selbst zugeben müssen, was sie alles nicht wussten.
    Die Autoscheiben ließen das Tageslicht nur gedämpft durch. Winter regelte die Klimaanlage auf Zimmertemperatur. Er wollte sich nicht erkälten. Durch die Fenster sah es wieder so aus, als wäre es draußen kalt. Aber wenn er die Autotür öffnete, würde ihm die Hitze entgegenschlagen.
    Im Liseberg-Park drehten sich die Räder. Winter musste daran denken, wie viele Jahre er nicht mehr dort gewesen war.
    Der Asphalt war weich vor Hitze. Die Autos um ihn wirkten verschwommen, wie aufgelöst. Fahrzeuge und Straße schienen zusammenzufließen. Er kam an einer Tafel vorbei, wo die Temperatur der Luft und der Straßenoberfläche angezeigt wurden. 43 Grad in der Luft. 49 Grad auf der Straße. Wahnsinn.
    Auf dem Berg hinter Kallebäcksmotet fiel ihm auf der Gegenfahrbahn eine Verkehrskontrolle auf. Ein uniformierter Polizist winkte freundlich die Fahrer an die Seite. Ein Kollege stand ein Stück weiter weg mit einer Videokamera am Straßenrand.
    Eine Videokamera. Winter fixierte den Mann, der sie hielt, verfolgte ihn im Rückspiegel. Der Mann musste ihn auch gesehen haben. Das Videoband filmte den entgegenkommenden Verkehr, aber er hatte den Mann

Weitere Kostenlose Bücher