Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Ermittlungen?«
    »Vielleicht.«
    »Man kommt dabei eben manchmal ins Schwitzen.«
    »Dann leistest du ja gerade gute Arbeit.«
    Der Junge lächelte und zog den Sakko aus. »Draußen ist es verdammt heiß.«
    »Was sagen denn die Behörden?«
    »Die sind nicht dort gewesen... am Fundort, keinem ist in letzter Zeit irgendein Baum aufgefallen. Der Grund gehört dem Kreis.«
    »Wann waren sie zuletzt dort?« Winter beugte sich über den Schreibtisch und nahm die zwei Papierbogen an sich, die der Kollege auf die Tischplatte gelegt hatte. »Wie heißt du noch?«
    »Äh... Börjesson. Erik Börjesson.«
    »Ach ja.« Winter suchte im Protokoll nach der Antwort auf seine letzte Frage. »Vor einem Monat. Sie haben einen Monat lang die Waldpflege um den Delsjön nicht mehr ausgeübt.«
    »Nein«, sagte Börjesson. »Nichts dergleichen.«
    »Hast du dir Gedanken gemacht, was es sonst sein könnte?«, fragte Winter, und bemerkte, wie überrascht der Junge war. Börjesson holte sichtbar Luft. Er merkt, dass ich merke, dass er bemerkt hat, dass ich seine Meinung hören will, dachte Winter.
    »Was das sein könnte, da am Baum?«
    »Ja.«
    »Fische? Der Anglerverein?«
    »Hast du das untersuchen können?«
    »Nee... Noch nicht.«
    »Irgendeine andere Idee?«
    »Du meinst... eine natürliche Ursache?«
    »Irgendetwas, das nicht mit dem Mord zusammenhängt.«
    »Junge Leute?«
    »Weist sonst noch was darauf hin?«
    »Ich... ich weiß es wirklich nicht.«
    »Das könnte eine Überprüfung wert sein.«
    »Oder ein Liebespaar.«
    »Mhm.«
    »Leute, die ihre Namen in die Rinde ritzen und so«, erklärte Börjesson.
    »Das ist eine beliebte Gegend für Menschen, die ein wenig traute Einsamkeit suchen«, sagte Winter.
    »Dann könnte es das sein«, meinte Börjesson.
    »Aber was bedeutet es dann?«, fragte Winter und schob Börjesson eine Fotografie über den Tisch.
    Er sieht richtig stolz aus, dachte Winter bei sich. Erik fühlt sich jetzt, wo er gemeinsam mit dem Chef dasitzt, mehr denn je an der Ermittlung beteiligt. Ich sollte das öfter machen. Bisher bin ich nicht gerade pädagogisch klug vorgegangen. »Was bedeutet diese Einritzung oder Zeichnung oder was es ist?«
    »Arbeiten nicht die Techniker daran?«
    »Ich möchte wissen, was du davon hältst«, drängte Winter. Von draußen klang das Brummen eines Hubschraubers herein. Winter konnte den Schatten sehen, als der Hubschrauber von der Landefläche im Westen abhob und am Fenster vorbeiflog. Langsam wurde es Abend. Die Besucherschlangen, die auf das Fest wollten, wurden bestimmt schon länger. Ihm fiel unwillkürlich Aneta Djanali ein, und er spürte einen sauren Geschmack im Mund. Automatisch zündete er sich einen Zigarillo an, um den Geschmack von Gewalt und Trunkenheit loszuwerden. Wenn er aufstehen und ans Fenster gehen würde, könnte er die Menschen auf ihrem Weg ins Stadtzentrum beobachten. In der flimmernden Luft würde es aussehen, als taumelten sie.
    Winter schloss die Augen. Berittene Polizei würde die Leute vor sich her hinter die Gatter auf den großen Plätzen Lilla Bommen und Kungstorget abdrängen. Da drinnen würden die Menschen sich gegenseitig anbrüllen, bis sie vom Alkohol umfielen. Die Polizisten würden absitzen und in die »Viehtransporter« umsteigen und ganze Haufen bewusstloser Körper in schmutzige, leere Räume abtransportieren, die sich nur vier Doppeltreppen unterhalb von Winters Aufenthaltsort befanden. Winter saß da und dachte an seine ersten Jahre als berittener Polizist. Er hatte auf seinem Pferd gethront, unter sich das Gesindel, ein Meer in panischer Bewegung. Diese jugendliche Überheblichkeit konnte gefährlich sein, wenn man sie in späteren Dienstjahren nicht ablegte. Wer die Menschen nur noch als Gesindel betrachtet, verdrängt eine selbstverständliche Tatsache: Alle sind gleich ängstlich, verwirrt, verzweifelt.
    Wir alle haben dieselbe verdammte Angst, dachte Winter und öffnete die Augen. Börjesson schaute ihn an. Winter erhob sich und trat ans Fenster, aber das starke Licht der Sonne, die tief im Westen stand, blendete ihn. Es war, als hinge sie auf einer Höhe mit Längedrag und würde verschwinden mit dem Versprechen, in einigen Stunden zurückzukehren.
    Winter blinzelte und erkannte Plakate und Spruchbänder, die zur nächsten Demonstration getragen wurden. Sie erzeugten Reflexe und Schatten. Einzelne Worte oder Buchstaben ließen sich nicht entziffern.
    Es würde schon bald wieder Stunk geben.
    Und währenddessen ginge das Fest

Weitere Kostenlose Bücher