Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
an Angelas Gesicht musste betont werden. Keine zusätzliche Farbe, keine weiteren Striche.
    »Was hast du gemacht?«
    »Eigentlich habe ich die meiste Zeit auf dem Balkon verbracht. Gestern konnte man bis zu den Klippen sehen und diese Fischerboote beobachten, mit denen die Sportangler hinausfahren. Ich konnte richtig erkennen, wie es schaukelte.«
    »Ich werde allein von dem Gedanken seekrank.« »Ich nicht«, gab sie zurück und trank vom Wasser. »Es war so friedlich.«
    »Klingt herrlich«, stimmte Winter zu. »Ich habe an uns gedacht«, sagte sie.
    Here it comes, dachte Winter. Uns waren nur wenige Minuten ruhigen Plauderns vergönnt. »Wie geht es deiner Mutter?«
    »Ausgezeichnet«, antwortete sie, »bis die Sprache auf... uns gekommen ist.« »So schlimm ist es doch wohl nicht gewesen. War das nötig?« »Was denn?«
    »So viel mit deiner Mutter über uns zu sprechen. Wir können doch selbst vernünftig miteinander reden.«
    »Vernünftig miteinander reden. Wann soll man mit dir denn mal vernünftig reden?«
    »Man hält mich im Allgemeinen für recht vernünftig.«
    »Man? Ich sehe hier heute Abend keine andern, die vortreten und allgemeine Ansichten über dich äußern.«
    »Angela.«
    »Wir sprechen von dir und mir.« »Das war nur eine Redensart.«
    »Redensart? Gibt es jetzt auch schon Redensarten über Erik Winter?«
    Er tunkte ein Stück Sellerie in den Dip aus Sardellen und schwarzen Oliven. Es schmeckte salzig und bitter, köstlich. »Das ist lecker.«
    Angela schaute ihn wortlos an. Er wollte gern ganz und gar bei ihr sein, aber gerade jetzt ging es nicht. Als er sich wieder über die Schüsselchen beugte, hatte er Helenes Gesicht vor Augen. Wie es in dem toten bläulichen Licht des Leichenschauhauses ausgesehen hatte. »Bitte entschuldige«, sagte er, als könnte sie seine Gedanken lesen.
    »Das kenne ich schon, und ich sage das nicht, um mich wie eine Polizistenfrau anzuhören, die in der Nacht zu Hause sitzt und wartet.«
    »Dann bin ich es wohl, der wartet«, meinte er.
    Sie nahm seine Hand, als er nach seinem Wasser greifen wollte. »Worauf wartest du, Erik?«
    Worauf er wartete? Das war eine schwierige Frage. Auf alles, vom Namen einer Ermordeten und eines Mörders bis zum ewigen Seelenfrieden. Auf den Sieg des Guten über das Böse. Und auf sie.
    »Heute habe ich auf dich gewartet«, antwortete er. »Vielleicht am meisten auf meinen Körper?«, entgegnete sie. »Das ist nicht fair. Ich will dich ganz.« Winter drückte ihre Hand.
    Sie ließ seine Hand los und trank einen Schluck Wasser. Ein Windstoß hob eine Serviette vom Tisch und nahm sie mit sich in die Tiefe unter dem Balkon. Winter konnte sie wie einen Schmetterling in den Schatten flattern sehen, dorthin, wo das Mondlicht nicht hinkam.
    »Das müsstest du mir irgendwie zeigen«, sagte Angela.
    »Das tue ich ja. Ich versuche, es dir auf meine Art zu zeigen.«
    »Du bist so oft woanders.«
    »Ich weiß. Du hast Recht. Nicht immer.«
    »Aber jetzt.«
    »Da ist dieser Fall... «
    »Es ist immer ein Fall. Ich verlange ja nicht von dir, die Stelle zu wechseln. Aber das... das überträgt sich, legt sich wie... wie eine Schicht Staub auf uns... auf alles um uns herum.«
    »Nicht Staub«, wandte er ein. »Es kann sich kein Staub auf uns legen, weil ich ihn die ganze Zeit aufwirble. Was auch immer als Metapher taugen könnte, das nicht.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Winter sah die nächste Windböe kommen, als sich Angelas Haar bewegte, und er griff nach der anderen Serviette, ehe der Wind sie erfassen konnte. Stattdessen trug er das Papiertuch davon, das über dem Brot gelegen hatte. Das ist die Methode der Natur, den Müll zu trennen, dachte er.
    »Ich kann nichts dafür, Angela. Es ist eben ein Teil von... mir. Und von der Arbeit, oder wie man es nennen soll.«
    Er erzählte, wie er gerade eben Helenes Gesicht vor sich gesehen hatte. Es war da gewesen, mitten während der Mahlzeit. Er suchte es sich nicht aus. Es suchte ihn. Angela erkundigte sich nicht nach Helene. Er hatte gewusst, dass sie das nicht tun würde, und das war gut. Vielleicht später, aber nicht jetzt.
    »Du trägst doch auch manchmal Bilder von deinen Patienten mit dir herum«, entgegnete er. »Bei dir ist es anders.«
    »Ich kann nichts dafür«, wiederholte er. »Und im Übrigen hilft es mir.«
    »Wirklich? Dem großen Kommissar mit den magischen Fähigkeiten? Am Ende kann... das kann Überhand nehmen. Immer mehr werden.«
    »Und am Ende werde ich verrückt? Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher