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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dazu!
    »Was tun Sie da?«, hatte Ester sie zur Rede gestellt und sich noch älter und kraftloser gefühlt als sonst.
    »Ich räume nur ein bisschen bei Ester auf«, hatte die Frau gesagt, als sei sie schwachsinnig. So war es nun mal. Die Alten hatten nichts zu sagen.
    »Und gleich essen wir eine Kleinigkeit?«, hatte die Frau gesagt, obwohl sie selbst gar nichts essen würde. Warum sagt die immer »wir«, wenn sie mich meint?, ärgerte sich Ester Bergman.
    »Kommen Sie kurz her«, hatte sie gesagt und gewinkt, wie eine Greisin das tun würde. Ester Bergman hatte mehrere Male eine Freundin besucht, die ihren ganzen Verstand durch diese grauenhafte Vergesslichkeitskrankheit verloren hatte. Und die winkt genau so, hatte Ester Bergman gedacht, als sie dalag und zusah, wie die Frau von der Sozialstation sich vor dem Bett aufbaute. Vielleicht war sie ja nett, aber sie gehörte nicht zur Familie. Der Gedanke war Ester Bergman schon oft gekommen, aber es hatte keinen Sinn, darüber zu grübeln. Es würde nie jemand zu Besuch kommen und sich zu ihr setzen, der zur Familie gehörte, wie sie es auch drehte und wendete. So war es nun mal. Es konnte eben vorkommen, dass eine alte Frau keine Familie hatte, wenn sie einen Mann gehabt hatte, der keine anderen Leute im Haus haben wollte. Immerhin hatte sie eine Freundin, auch wenn diese inzwischen sagte: »Ich kannte mal eine Ester, kennst du sie?«, wenn sie zu Besuch kam und sich an ihr Bett setzte und in diese Augen blickte, in denen seit Jahren niemand mehr zu Hause war. Aber Ester war da, und so hatte die Freundin auch sie. Es spielte keine Rolle, dass ihr Verstand sie vor langer Zeit verlassen hatte.
    »Kommen Sie?«, hatte Ester Bergman noch einmal zu der Frau gesagt.
    »Ich stehe schon hier, Ester«, hatte die Frau geantwortet. »Wie geht es Ester heute?«
    »Wir müssen sie mal fragen«, hatte Ester Bergman geflachst. »Sie liegt hier irgendwo neben mir in den Bettfedern.«
    »Ester scheint ein wenig Fieber zu haben«, hatte die Frau gesagt und ihr die Hand auf die Stirn gelegt. »Das tut gut«, hatte Ester Bergman geseufzt. »Möchte Ester eine Tasse Tee?« »Fragen wir sie doch.«
    »Unsere Ester ist immer zu Scherzen aufgelegt.«
    »Sie möchte Kaffee.« Ester Bergman hatte es langsam satt, in einem Ton zu sprechen, den sie den Fernsehfilmen nach Astrid Lindgrens Büchern abgelauscht hatte. »Ich liege hier und muss dauernd an eine Sache denken«, hatte sie gesagt.
    »Aha?«
    »Achten Sie auf die Leute, die hier um den Hof herum wohnen?«
    »Wie meint Ester das?«
    »Würden Sie sie wieder erkennen, wo es doch Ihre Arbeit ist, zu den alten Menschen hier ringsum zu gehen?«
    »Ester meint, ob wir unsere Fäl... die, zu denen wir gehen, wieder erkennen? Das versteht sich von selbst.«
    »Nein, nein. Ich meine andere auf dem Hof. Andere, die hier wohnen.« »Andere?«
    »Kinder! Kinder und ihre Mütter!« »Jaaa... Ich weiß nicht...« »Also nicht.«
    »Denkt Ester an jemand Bestimmtes?« »Nein, schon gut.«
    »Denkt Ester an jemand Bestimmtes?«
    Jetzt reicht's mir aber mit Ester hier, Ester da, hatte sie gedacht. Es ging ihr auf den Geist, dauernd ihren Namen zu hören. »Früher hat draußen oft ein kleines Mädchen mit feuerrotem Haar gespielt«, hatte sie gesagt. »Und ihre Mutter hat daneben gesessen. Sie sind auf einmal nicht mehr da.« »Nicht mehr da?«
    »Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen. Ich möchte nur wissen, ob Sie sie vielleicht gesehen haben.« »Ein Mädchen mit rotem Haar? Wie alt denn?« »Ich weiß nicht. Noch klein, fünf vielleicht.«
    Die Frau von der Sozialstation hatte ein Gesicht gemacht, als versuchte sie nachzudenken. Möchte wissen, was bei der im Kopf vorgeht, hatte Ester Bergman gedacht. Die Frau roch nach Zigaretten. Die will bloß hier weg und auf der Treppe rauchen. »Die Mutter hat auch geraucht«, sagte Ester Bergman.
    »Was hat Ester gesagt?«
    »Die Mutter des Mädchens hat auch geraucht. Wenn es seine Mutter war.« »Wie hat die Mutter denn ausgesehen?«
    »Sie war blond und sah aus, wie die jungen Leute heute so aussehen.«
    »Sie war jung?«
    »Für mich sind wohl alle jung.«
    Die Angestellte lächelte. Wieder schien sie nachzudenken. »Ich sehe sie nicht vor mir«, hatte sie geantwortet. »Aber ich kriege auch nicht so viel vom Hof mit. Wir gehen ja nur in die Wohnungen und in die Treppenhäuser.« Und nach einer Pause: »Nein, ich habe kein Bild vor Augen.«
    »Ester möchte jetzt eine Tasse Kaffee«, hatte Ester

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