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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gelandet, ringsumher Meer. Plötzlich schien um ihn her eine andere Welt zu sein. Noch immer war es warm, aber er hatte auf das Thermometer vor dem Küchenfenster geschaut. Die Temperatur war auf unter zwanzig Grad gefallen.
    Er holte tief Luft, so tief er konnte. Ein angenehmes Gefühl. Es ging ihm gut. Die Müdigkeit ließ langsam nach. Die drückende Hitze der vergangenen Wochen hatte ihn bei der Arbeit bestimmt negativ beeinflusst.
    Wie eine Depression, dachte er. Alles ist in Stücke zerfallen. Wir haben die Spuren ausgewertet. Dann die Ausbrüche von Gewalt. Die Schießerei. Der Mann und sein Sohn, die keinen Ausweg mehr sahen. Vor einer Woche war das Drama vor dem Stadion undramatisch zu Ende gegangen. Der Mann hatte seine Waffe im Bus liegen gelassen und war mit seinem Sohn an der Hand herausgekommen, nach über vierundzwanzig Stunden. Winter war nicht dabei gewesen, hatte aber gehört, der Sohn habe froh und munter ausgesehen und seiner Mutter fröhlich gewinkt, die dastand. Sie hatte zuletzt an ihren Mann appelliert aufzugeben.
    Die Familie war noch in Schweden. Ihr Anwalt hatte einen neuen Asylantrag eingereicht. Winter glaubte nicht an einen Erfolg. Die Regierung verfolgte eine harte Linie. Die Verzweiflungstat war in ihren Augen ein Erpressungsversuch. Solche Hoffnungslosigkeit konnte vielleicht die Gemüter der Schwachen rühren, aber das Urteil der Behörden beeinflusste sie nicht.
    Winter schaute nach Westen über die grauschimmernden Hausdächer, und als er den Blick wieder hinunter auf den Vasaplatsen richtete, war das Kind nicht mehr da. Es war neun Uhr, und es war Samstag. Am Vorabend hatte er beschlossen, an diesem Tag zu Hause zu bleiben. Ihm war bei zwei Gelegenheiten am Freitagnachmittag wieder sekundenlang schwindelig gewesen, und er hatte sich fest vorgenommen, den Samstag in der Wohnung im Schatten zu verbringen.
    Nun war die Sonne weg und damit auch das schleichende Gefühl verlorener Bodenhaftung. Er wusste, das Schwindelgefühl war ein für alle Mal vorbei, würde nicht zurückkehren. Ich bin mehr Nordländer, als ich wahrhaben will, dachte er. Ich muss mich mit Kühle und Kälte umgeben. Dann funktioniere ich besser. Aber schön war es doch, das Schwimmen bei Järkholmen.
    Er schlenderte ins Bad und wusch sich die Augen. Sogar in diesem fensterlosen Raum schien sich das Licht verändert zu haben. Vielleicht lag es an seinen Augen, die wieder klarer waren, nicht mehr durchzogen von roten Äderchen, den sichtbaren Vorboten der Kopfschmerzen und Schwindelanfälle.
    Winter ging wieder ins Wohnzimmer und zögerte am Schreibtisch. Er blickte auf den Computerschirm, schaltete den Laptop aber nicht ein. In der Nacht hatte er versucht, die verschiedenen Voruntersuchungen in die richtigen Gleise zu lenken, als arbeite er im Bahnhof. Er war den Spuren in die unterschiedlichsten Richtungen gefolgt, in die sie wiesen, und war dann zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, um sicherzugehen, dass nichts auf dem Weg liegen geblieben oder in den Graben oder ins Gras gefallen war.
    Besonders viel Zeit hatte es ihn gekostet, den Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen, den Zeugenstimmen, die dreißigjährige Frauen an den unmöglichsten Orten gesehen haben wollten, Frauen, die orientierungslos oder verdächtig gewirkt hatten. Winter hatte alle Aussagen gelesen. Sie hatten einige dieser Vermisstenmeldungen überprüft, aber keine der Frauen war... Helene gewesen. Winter hatte auch eine Anfrage an Interpol geschickt. Es war ein neuer Schritt, aber auch von dort war noch nichts Verwertbares gekommen. Er glaubte nicht wirklich, dass sie aus einem anderen Land kam. Ihre Zahnfüllungen waren in Schweden gemacht worden, auch die aus der Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie konnte zwischendurch im Ausland gelebt haben, aber das war eine andere Sache.
    Er hatte eigenhändig Kollegen im ganzen Land angerufen, hatte mit Hunderten über Group Wise in Verbindung gestanden. Die E-Mail-Verbindung war ein Segen, aber auch eine Quelle für neuen Stress: zu viele Mails.
    Sie hatten die beiden Jungen noch einmal wegen des Boots verhört, und sie schienen die Wahrheit zu sagen. Ihr Boot war zu irgendeinem Zweck missbraucht worden. Vielleicht war es dasselbe Boot, das Andrea Maltzer auf dem See draußen beobachtet hatte. Falls sie wirklich ein Boot gesehen hatte. Winter hatte viel über sie und von Holten, ihren Liebhaber, nachgedacht. Da war etwas... Er wusste nicht, was... Etwas veranlasste ihn, nicht ihre ganze

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