Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
und den Aufprall verhindert. Sanft setzt er seinen Herrn am Boden ah, und im nächsten Moment hört Ido einen Schlag, dreht sich um und sieht seinen Drachen mit dem Kopf auf dem felsigen Boden liegen. Nur noch mühsam atmet er, während sich sein Unterleih unregelmäßig hebt und senkt, und sich die Farbe des Bluts mit dem Rot seiner schuppigen Haut vermengt. Ido kann es nicht glauben, weigert sieb, es zu glauben. Ungeachtet aller Schmerzen springt er auf, eilt zu seinem Drachen, untersucht ihn.
Vesas rechter Flügel ist verstümmelt, die Membran zwischen den Knochen vollkommen zerrissen, sein Schwanz zerfleischt von Drachenbissen, und der Unterleib stinkt nach verbranntem Fleisch.
Ido weiß, was los ist. Er weiß es, kann es aber nicht hinnehmen. Er kniet vor Vesa nieder, streichelt ihm den Kopf.
»Es wird alles gut, Vesa, es wird alles gut. Klar, das kleine Biest hat dich übel zugerichtet, aber das überstehen wir schon, so wie immer. Hast du gesehen, wie ich es ihm heimgezahlt habe?«
Wieder und wieder streichelt er über Vesas Maul, während seine Hände immer blutiger werden.
»Es wird alles gut. Wir ruhen uns ein wenig aus. Und dann ziehen wir weiter, einverstanden?«
Ido spürt, wie ihm die Tränen in die Augen treten.
Mit erloschenem Blick, schaut Vesa ihn an. Und zum ersten Mal erkennt Ido in diesen Augen etwas, was nach Angst oder Resignation aussieht. Vesa ist im Begriff, sich aufzugeben.
»Nein, Vesa, verflucht noch mal, nein! Ich brauche dich doch. Kämpfe! Du musst durchhalten!«
Doch Vesas Augen zucken nicht mehr so wie sonst, wenn er seinen Drachen beim Namen nennt. Auch andere Male war er schon verwundet, aber jedes Mal, jedes verfluchte Mal, wenn er ihm sagte, dass alles gut würde, schien Vesas Blick ihm zu antworten, wie um ihn zu trösten. Ja, auch dieses Mal würden sie schließlich wieder davonkommen, weil sie seit 15 Ewigkeiten zusammengehörten, weil sie so viel miteinander durchgemacht hatten, weil es nicht anders sein konnte.
Mit rasendem Herzen und gegen das Schwindelgefühl ankämpfend, beugt sich Ido zu Vesas Kopf hinunter, ist seinen gelben, grün umrandeten Drachenaugen jetzt sehr nahe. »Vesa, ich flehe dich an, halte durch . . . Ich habe auch nicht aufgegeben, auch ich habe viel eingesteckt heute Nacht und alles gegeben im Kampf so wie du. Aber du darfst mich jetzt nicht verlassen, du bist doch alles, was mir geblieben ist. . . «
Der Drache blickt ihm fest in die Augen. Und Ido hat das Gefühl, kein Tier vor sich zu haben, sondern einen Menschen, der zu ihm spricht.
>Ich muss gehen. < »Nein, du kannst mich nicht verlassen!« Ido schreit jetzt so laut, dass ihm die Kehle schmerzt. »Tu mir das nicht an!«
>Für jeden kommt einmal die Zeit. Und meine ist jetzt um.< »Das ist nicht wahr! Das erlaube ich nicht! Weißt du noch, wie ich nach jeder neuen Schlacht zu dir kam und versprach, das Schwert endgültig in die Scheide zu stecken, erinnerst du dich? Warum habe ich es bloß nicht getan? Nein, du kannst mich nicht auch noch verlassen. Das darfst du nicht!«
Vesas Blick wird ganz ruhig, sein früher so kraftvoller Atem flach und sanft wie der eines Jungtieres. Sein Brustkorb hebt sich kaum merklich und nur stoßweise.
>Lass mich gehen. < Ido heult jetzt wie ein kleiner Junge.
Vesas majestätischer Atem hat jeder Schlacht den Rhythmus vorgegeben. Auf diese ruhigen Atemzüge lauschte Ido, um vor dem Kampf selbst zur Ruhe zu kommen, und Vesas schweres Keuchen danach war fast immer die Siegeshymne. Wenn sie von Feldlager zu Feldlager unterwegs waren, schlief Ido mit diesen langen gleichmäßigen Atemzügen ein. Und nun ist es nur noch ein Raunen, das bald erlöschen wird. Das ist mehr, als er ertragen kann. Ein Ritter ohne seinen Drachen ist nichts mehr, ein Ritter, dessen Drache stirbt, sollte die Größe besitzen, mit ihm diese Welt zu verlassen. Er hebt den Kopf und blickt Vesa in die Augen, sieht zu, wie sie langsam erlöschen, und wendet den Blick nicht ab, bis der Vorhang seiner 15 Lider ganz gefallen ist und sein Atem stillsteht. Er ruft seinen Namen, schüttelt ihn, schlägt ihn mit der flachen Hand und weiß doch genau, dass es vorbei ist, für immer. Die Fäuste krampfhaft geballt, bricht er in haltloses Weinen aus, weint die letzten Tränen, die dem Krieger Ido geblieben sind.
Ido seufzte. Erinnerungen. Erinnerungen, die sich seinem Gedächtnis eingebrannt hatten. Lange Zeit hatte er das Bild des sterbend am Boden liegenden Vesa ständig vor Augen gehabt, war
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