Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
treibt er ihn dennoch an. Und der Drache spreizt die Flügel und hebt mühsam ab.
Das Tageslicht blendet sie fast, der Vulkan Thal vor ihnen spuckt Feuer und Asche. Doch am Himmel sind keine Feinde zu sehen.
Mächtig schlägt Vesa mit den Flügeln, und im Nu steigen sie auf in der nach Schwefel stinkenden Luft und der Hitze des Vulkans, die ihnen in die Lungen dringt.
Zum ersten Mal in seinem Leben spürt Ido, dass dies seine Heimat ist. Für dieses Land hat er gekämpft, sich in dessen Bauch verkrochen, mit seinen Bewohnern gelebt, und so ist dieses Reich der Feuer und Felsen tatsächlich zu seinem Zuhause geworden. Ich werde es dir wieder entreißen, Dohor, ich werde dir dieses Land entreißen, damit es wieder in seinem alten Glanz erstrahlen kann, schwört er sich. Den Blick fest auf ihr Ziel in der Ferne gerichtet, fliegen sie dahin, und die Anspannung beginnt schon von ihm abzufallen, als er plötzlich spürt, wie sich die Muskeln seines Drachen unter seinen Schenkeln verhärten, während Vesa gleichzeitig vor Schmerz laut aufbrüllt. Sie fallen, ein Flügel des Drachen hängt lahm herab.
Ido klammert sich an Vesas Kamm fest, und ein Blick reicht ihm, um die Lage zu überblicken.
Es war ein Biss. Ein Biss in Vesas bereits verwundetem Flügel.
Ido bebt vor Zorn.
Am Rand seines Blickfelds sieht er einen verdammt quirligen kleinen Drachen, und auf seinem Rücken einen Ritter, nicht viel älter als ein Knabe.
»Reiß dich zusammen! Komm!«, treibt er Vesa an, doch es ist zwecklos.
Der Drache ist am Ende, versucht dennoch, mit dem heilen Flügel die Luftströme auszunutzen, ohne Erfolg. Er kann nur noch den verwundeten Flügel ein wenig ausbreiten, um den Fall zu verlangsamen. Vesas Brüllen ist in ein Wimmern übergegangen, und Ido selbst fühlt seinen Schmerz, dass es ihm die Eingeweide umdreht und sich sein Blick verschleiert.
Er dreht sich um und sieht, dass der Ritter auf ihn zurast. Sein Drache ist jung und so unerfahren wie er selbst. Der Jüngling hält seine Lanze vorgereckt, und Ido ahnt genau, was er vorhat. In seinem Gesicht steht bereits das Lächeln des Siegers, und gewiss träumt er schon davon, mit seinem Kopf, dem Kopf des gefürchteten Ido, in sein Lager zurückzukehren.
Mit einem Ruck stellt sich der Gnom im Sattel auf, hält die Balance auf Vesas Rücken, während der junge Ritter jetzt, genau wie vorhergesehen, den Arm zurückzieht, um gleich darauf zuzustechen.
Ido braucht sich nur zu ducken, um der Lanze auszuweichen, bekommt dann, als der Drache vorbeifliegt, mit der heilen Hand dessen Zaumzeug zufassen und hält sich daran fest. Entgeistert beobachtet der Jüngling, wie sich der Gnom flink wie ein Frettchen in den Sattel hinter ihn schwingt. »Nein!«, kann er nur noch stöhnen.
Da fährt ihm Ido mit der Klinge über die Gurgel, spürt, wie er noch zuckt im Todeskampf und dann tot in seine Arme sinkt. Mit einem Tritt befördert er den Ritter hinunter und ist jetzt allein mit dem fremden Drachen, der sich bereits in Vesas Schwanz verbissen hat und ihn heftig attackiert. Seine ganze Wut hinausschreiend, versenkt Ido mit aller Kraft das Schwert bis zum Heft in der Flanke des Tiers, das aufbrüllt und seine Beute loslässt, jedoch noch Gelegenheit findet, eine mächtige Flamme auszustoßen, die Vesa einhüllt. »Verdammtes Biest!«
Idos Zorn kennt keine Grenzen mehr. Er umklammert den Hals des Tiers, kämpft gegen die Übelkeit, die ihn überkommen hat, weil sich der Drache vor Schmerz windet und auf und nieder bäumt. Ido gleitet ein Stück an ihm hinunter, dorthin, wo sein Schwert leichter eindringen kann. Ein erneuter Schrei, und wieder stößt er zu, einmal, zweimal, noch einmal und noch einmal. Nur noch mit dem verwundeten Arm kann er sich jetzt festhalten, und die Wunde schmerzt höllisch, aber das ist jetzt gleich. Dieses Biest hat seinen Vesa schwer verletzt. Dafür muss es büßen.
Selbst halb bewusstlos, spürt Ido, dass sie abstürzen. Der Drache scheint tot zu sein. Der Gnom lässt es geschehen. Was bleibt ihm anderes übrig? Vielleicht wird auch er den Tod finden. Doch dann wird er im Kampf gestorben sein, und das genügt ihm, noch dazu im Begriff, seinen Vesa zu rächen. Jetzt lächelt er, während er ins Leere fällt. Plötzlich ein Ruck, und er verharrt in der Luft. Das Wams schließt sich eng um seinen Hals, würgt ihn, um ihn herum warme Atemluft. Und sofort weiß Ido, was los ist. »Vesa . . . « , murmelt er.
Der Drache hat ihn im Fallen mit den Zähnen gepackt
Weitere Kostenlose Bücher