Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
Art Liebeserklärung konnte Dubhe nicht das Herz wärmen. Mittlerweile glaubte sie nicht mehr an eine gemeinsame Zukunft mit Lonerin. Der Traum, mit dem sie aufgewacht war und in dem der Meister mit ihr gesprochen hatte, kam ihr wieder in den Sinn. Es stimmte. Lonerin war nicht Sarnek und würde es auch niemals für sie sein. Sie 16 hatte nichts anderes in ihm gesucht als ihn, ihren früheren Meister.
Ausgiebig erzählte Lonerin nun von seiner ersten kurzen Unterhaltung auf Elfisch, dann von ihrem Eintreffen im Dorf und wie sich die Huye um sie gekümmert hatten. Er freute sich, war begeistert, auf ein unbekanntes Volk gestoßen zu sein, seine Forscherseele war wieder erwacht. Dubhe hingegen fühlte sich weit entfernt von all dem, so als gehöre es zu einer anderen Welt, die ihr verschlossen war. Langsam begann ihr Geist abzuschweifen, immer undeutlicher drang Lonerins Stimme an ihr Ohr, und sie war im Begriff, wieder in ihre ganz eigene Hölle abzustürzen. »Hörst du mir überhaupt noch zu?« Dubhe sah zu ihm auf. »Ja ...«
»Also deine Verletzungen ... Keine Wunde ist wirklich lebensgefährlich, und dieses Volk ist sehr bewandert in der Kunst der Heilbehandlung. Du wirst dich sicher bald erholt haben.«
Dubhe deutete ein Lächeln an.
Lonerin ließ den Blick auf ihr ruhen.
»Du darfst dich nicht quälen. Das warst ja nicht du«, erklärte er ganz unvermittelt.
Das sagt sich so leicht, dachte Dubhe. Wie sollte sie ihm erklären, dass dies wenig zählte. Dass mit jedem Mal, da die Bestie ihre Klauen zeigte, etwas in ihr zerbrach? Dass dieser Fluch tatsächlich ein Teil ihrer selbst war?
»Ich selbst habe sie freigelassen«, murmelte sie, während sie den Blick abwandte. »Das war ja auch der einzige Ausweg«, erwiderte Lonerin überzeugt.
»Aber ich habe schon wieder einmal ein Massaker angerichtet.«
Dubhe blickte Lonerin fest in die Augen und sah darin, dass er sie nicht verstand. Wer nie getötet hatte, konnte das nicht verstehen. Ein Schleier trennte sie von der Welt der Normalen, die nie das Blut anderer gekostet hatten. Lonerin seufzte. »Du bist nicht die Einzige, die entsetzliche Dinge getan hat.« Dubhe blickte ihn fragend an. Sie erinnerte sich doch ganz genau, dass sie es war, die Filla mit eigenen Händen umgebracht hatte.
»Ich war drauf und dran, diesen zweiten Assassinen zu töten«, sagte er.
Sie sah ihn weiter erstaunt an. »Er hatte dich doch angegriffen, und du musstest dich verteidigen ... Was soll Schlimmes daran sein?«
»Dass ich mich dazu eines verbotenen Zaubers bedient habe.« Fast beschämt brach Lonerin ab. Doch als er sah, dass Dubhe immer noch nicht verstand, fuhr er fort. »Die Magie basiert auf dem Gleichgewicht der natürlichen Kräfte. Ein guter Magier handelt nie gegen die Natur, sondern macht sich die Naturgesetze zunutze, ohne diesen zuwiderzuhandeln. Daraus folgt, dass ein Magier bestimmte Dinge niemals tun darf. Andere mit seinen Zaubern zu verletzen zum Beispiel oder gar zu töten. Das ist wider die Natur, deren Wesen der Erhalt des Lebens ist. Schwarze Magie ist das, jene Magie, die der Tyrann so meisterhaft beherrschte. Wer solche Magie einsetzt, verliert seine Seele, vermacht sie dem Bösen, um daraus die Kraft für seinen Zauber zu gewinnen. Niemand kann sich dieser Art Magie ungestraft bedienen, denn sie zersetzt einen von innen heraus, treibt einen in die Ruchlosigkeit, zerstört einen.«
Sofort erkannte Dubhe die Grundzüge ihres Fluches wieder. Mit Sicherheit war das Siegel ein Werk der schwarzen Magie.
»Und einen solchen verbotenen Zauber habe ich bei Reklas Begleiter eingesetzt. Aber nicht weil er mich angegriffen hätte oder töten wollte. Ich weiß ja, wie ich einen Feind unschädlich machen kann, ohne ihn gleich umzubringen.« Er schluckte. »Ich tat es, weil er zur Gilde gehörte, weil er ein Assassine war. Aus keinem anderen Grund.«
Dubhe musste daran denken, wie Lonerin damals bei ihrem ersten Kampf gegen Rekla in den Abgrund gestürzt war, an den Hass, den sie in seinen Augen erkannt hatte, ein Hass, der nicht zu ihm passen wollte und doch in ihm loderte. »Warum hasst du die Gilde so sehr?« »Als ich acht Jahre alt war, bekam ich das Rote Fieber.«
Dubhe hatte von dieser Krankheit gehört, seit Jahrhunderten eine Geißel der Aufgetauchten Welt. Sie befiel vor allem Kinder und führte zu hohem Fieber und unstillbaren Blutungen. Die meisten Erkrankten starben daran, verbluteten regelrecht. Jedermann in der Aufgetauchten Welt fürchtete
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