Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
glaubt nicht daran.
Die Finsternis löst sich auf, bald liegt der Raum wieder im Halbschatten, und Sennar wirft sich schluchzend zu Boden. Seine Hände sind wie verkohlt, und fast all seine magischen Kräfte hat er eingebüßt. Aber er hat ihr Lächeln gesehen.
Sennar schloss die Augen, und eine einzelne Träne rann langsam über seine Wange. Er hatte nicht mehr viele Tränen, die er hätte vergießen können. Als er sich im Bett auf die andere Seite drehte, sah er das Licht wie an jenem Nachmittag durch die Fensterläden einsickern. Nihal. . .
Aber sie hatte doch recht gehabt. Er wurde noch gebraucht.
Wiedersehen
Es war an einem Morgen, als Dubhe, Lonerin und Sennar in Laodamea eintrafen. Auf Oarfs Rücken und unter Sennars Führung, der die Unerforschten Lande sehr gut kannte, war die Reise völlig ohne Zwischenfälle verlaufen. Getragen von den mächtigen, widerstandsfähigen Flügeln des Drachen, hatten sie für die ganze Strecke nur zwei Wochen gebraucht.
Dubhe hatte Laodamea noch nie von oben gesehen, und es war ein überwältigender Eindruck. Weißlich schimmerte die Stadt wie ein Diamant auf dem grünen Teppich der Mark der Wälder, und der königliche Palast verbreitete noch einmal einen besonderen Glanz. Zu ihrer eigenen Verwunderung hatte sie ganz stark das Gefühl, nach Hause zu kommen. Sie hatte nie ein Zuhause gehabt, es sei denn ihr Heimatdorf Selva, aber das gehörte einer archaischen Vergangenheit an, gehörte zu jener Dubhe, die in den Wäldern damals gestorben war. Die Unerforschten Lande hingegen waren so entsetzlich fremdartig gewesen, dass ihr im Vergleich dazu die Aufgetauchte Welt richtig heimisch vorkam. Wie eine heimkehrende Tochter fühlte sie sich, und dabei kam ihr ein merkwürdiger Gedanke.
Dies ist tatsächlich etwas, jür das es sich zu sterben lohnt.
Oarf setzte bei den Befestigungsanlagen des königlichen Palastes auf. Dubhe und Lonerin stiegen ab, nur ein paar Schritte von dem mächtigen Wasserfall entfernt, der das Gebäude überragte.
Lediglich drei Monate waren seit ihrer Abreise vergangen, doch Dubhe kam die Zeit viel länger vor. Alles hatte sich verändert. Wie sie wusste, hatte jeder Abschied etwas Endgültiges, und auch wenn man zurückkehrte, kam man nicht mehr an denselben Ort.
Folwar und Dafne erwarteten sie. Lonerin lief seinem Meister entgegen, während sich Dubhe ein wenig abseits hielt, und obwohl die Königin ihr zur Begrüßung freundlich zuwinkte, wusste sie nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Sennar hingegen blieb noch eine Weile auf dem Drachen sitzen und blickte sich um, so als müsse er erst begreifen, sich erst erinnern, wo er sich befand. Aber sein Blick verriet nicht, ob er irgendetwas wiedererkannte, vielleicht war das alles doch zu lange her.
Dann kletterte er mühsam mit Dubhes Hilfe von Oarf herunter.
»Was bin ich doch für ein gebrechlicher, unnützer Alter«, grummelte er, als er endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
»Das dürft Ihr nicht sagen«, protestierte sie, »Ihr seid doch der Einzige, der uns retten kann.«
Doch diese Worte konnten Sennars Miene nicht aufhellen. »Zum letzten Mal war ich anlässlich eines Festes hier«, erzählte er. »Dafne war bereits Königin, und ich kam zusammen mit Nihal, die ein wunderschönes rotes Samtkleid trug. Es war kühl, und wir standen auch hier oben und bewunderten den Ausblick.« Er schaute sich um. »Sie deutete auf das Land ringsum und fragte mich, ob wir das wirklich alles aufgeben sollten, ob wir es verantworten könnten, die Aufgetauchte Welt sich selbst zu überlassen.«
Dubhe betrachtete den prächtigen Wasserfall, das satte Grün der Wälder und weiter entfernt noch den hellen Streifen der beginnenden Steppe im Land des Windes, Nihals Heimat. Und sie spürte einen Stich im Herzen.
»Ich antwortete, wir hätten uns diese Reise verdient und den Frieden, den sie uns bringen würde. Jetzt sei es uns er laubt, nur an uns zu denken, und jeder Ort, wo wir zusammen sein könnten, sei unser Zuhause.« Und mit verbitterter Miene fügte er hinzu: »Aber Frieden haben wir nicht gefunden, und ein Zuhause habe ich auch nicht mehr.«
Dubhe wusste nicht, was sie antworten sollte. Alles, was sie früher gedacht hatte, jede einzelne Sorge, schien gering, gemessen an Sennars immensem Leid. Der alte Magier wandte sich nun auch den anderen zu und ging Folwar und Dafne begrüßen. Beide verneigten sich fast bis zum Erdboden vor ihm, und Sennar richtete einige höfliche Worte an
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