Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
man in der Stille nur Tariks Röcheln. »Tarik, ich bin Ido«, begann der Gnom.
Der Halbelf blickte ihn aus seinen violetten Augen staunend an. »Der Lehrer meiner Mutter . . . ? «
»Eben der.«
So schwach er auch war, gelang Tarik doch ein Lächeln. »Ach, meine Mutter . . . so wie sie wollte ich immer sein . . . « , murmelte er, » . . . eine Zeit lang habe ich es versucht . . . « »Lass nur, sprich nicht, wenn es dich zu sehr anstrengt.«
Vielleicht hatte Tarik ihn gar nicht gehört, denn er fuhr fort. »Ich konnte es nicht mehr ertragen . . . mein Vater, wie er sich vergrub . . . sich nicht rührte . . . in den Landen jenseits des Saars . . . meine Mutter war doch für uns gestorben und hatte alles gegeben für die Aufgetauchte Welt.«
Er brach wieder ab, hustete heftig und versuchte dann, wieder zu Atem zu kommen.
»Aber hier war dann alles ganz anders, als sie mir erzählt hatte . . . und ich . . . ich bin überhaupt nicht wie sie.«
Er stockte wieder.
»Dann wollte ich zu dir stoßen . . . an deiner Seite kämpfen.«
Ido lächelte bitter. »Du weißt ja, wie es uns ergangen ist. Wir haben es nicht geschafft, Dohor zu besiegen. Aber noch ist es nicht zu spät, verstehst du? Der Kampf ist noch nicht verloren.«
»Eine Zeit lang habe ich . . . nach dir gesucht . . . Aber dann lernte ich Talya kennen . . . «
»Du hast es richtig gemacht«, unterbrach Ido ihn. »Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Und das war für dich der richtige.«
Tarik entgegnete nichts und schwieg einige Augenblicke. Dann fragte er: »Hat mein Vater dich geschickt?« Seine Stimme war mittlerweile nur noch ein mühsames Flüstern.
»Nein. Ich bin gekommen, um dich zu warnen und zu beschützen Ido spürte eine enorme Wut in sich. Was war er nur für ein miserabler Beschützer!?
»Schade. Ich hätte ihn gern wiedergesehen.«
Ido fasste sich ein Herz. »Sennar hat mir häufiger geschrieben in all den Jahren.
Erst als du fortgingst, brach die Verbindung ab. In seinem letzten Brief bat er mich, nicht nach dir zu suchen, dir aber etwas auszurichten, falls ich dir einmal begegnen sollte. Ich soll dir sagen, dass er deinen Entschluss nun verstehen kann.«
Tarik schwieg. Und Ido beugte sich noch näher zu ihm hinab.
»Hörst du mich, Tarik? Dein Vater kann dich verstehen, so wie du ihn sicher auch verstehen kannst. Und er bittet dich, ihm zu verzeihen.«
Tarik lächelte und drückte nur fest Idos Hand. Bis zum Morgen sprach er kein Wort mehr. Sein Atem wurde immer schwächer, sein Gesicht bleicher, doch das Lächeln i n seinem Gesicht blieb. Als er starb, war die Sonne noch nicht aufgegangen.
Ein weiterer Abschied, ein weiterer Toter. Diesmal hatte Ido noch nicht einmal Gelegenheit gehabt, ihn besser kennenzulernen. Wie erschlagen fühlte er sich von der Last dieser Erfahrungen, die er i n seinem Leben schon so oft gemacht hatte. Doch er musste handeln, hatte eine neue Herausforderung zu bestehen für sich selbst, für Tarik, für Nihal und all die anderen. Vor langer Zeit hatte er beschlossen, trotz aller Rückschläge den Kampf fortzusetzen, und jetzt durfte er erst recht nicht aufstecken, nachdem schon so viel Blut geflossen, so viel Leid entstanden war.
Regen
Nach der grauenhaften Begegnung mit den Geistern im Wald verlief die Reise nun ruhiger. Zwar tauchten auch nach Sonnenuntergang des nächsten Tages wieder seltsame Erscheinungen auf, sodass Lonerin und Dubhe sich erneut gezwungen sahen, Nachtwache zu halten. Mit dem folgenden Morgen aber waren die Geister ganz verschwunden. Dafür erwachten nun die Klänge und Geräusche des Waldes. Die Baumwipfel rauschten im Wind, die Farne raschelten, wenn irgendwelches Getier hindurchhuschte. Beständig wurde die Stille durchbrochen. Der Wald hielt nicht mehr länger den Atem an, war dadurch aber nicht weniger unheimlich geworden. Die Düsternis wollte nicht weichen, und weiterhin fühlten sich beide ständig beobachtet.
»Als wolle uns der Wald nicht aus den Augen lassen . . . Anfangs wies er uns zurück und hetzte dann seine Geister auf uns. Doch diese Prüfung haben wir bestanden. Nun jedoch studiert er uns, und im Unterholz wimmelt es von seinen Geschöpfen, die weitergeben, was sie gesehen haben.«
»Du bist ja richtig poetisch«, bemerkte Dubhe mit einem Lächeln.
Lonerin errötete. »Zauberei bedeutet, die Natur zu studieren mit all ihren Bewohnern und ihren Gesetzen. Vielleicht sehe ich sie deshalb so >poetisch<, wie du sagst.«
Dubhe dachte, dass sie diese Sichtweise
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