Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
an.
Zunächst versuchte sie, den Katzenbock von hinten zu überraschen, doch der fuhr so schnell herum, wie Dubhe es ihm nie zugetraut hätte. Im letzten Augenblick wich sie dem Gegenstoß aus, doch eins der Hörner streifte ihren Knöchel und schlitzte die Haut tief auf.
Auch mit dem nächsten Angriff hatte sie kein Glück. Das Untier bäumte sich auf, stellte sich auf die Hinterbeine und schlug mit den Vordertatzen, deren Krallen im Halbdunkel funkelten, nach Dubhe aus. Sie wusste nicht, wie sie sich wehren sollten. Wild schwangen Hörner und Tatzen durch die Luft. Das Untier war völlig unberechenbar.
Hin und her springend, konnte Dubhe immer wieder ausweichen, bis sie irgendwann über eine Wurzel stolperte. Sie fand sich am Boden wieder und sah das Fabelwesen mit weit ausgestreckten Krallen auf sich zurasen. Es war der absurde Gegensatz zwischen dem unschuldigen Ziegengesicht, in das sie nun starrte, und den todbringenden Krallen, der sie am meisten entsetzte. Unwillkürlich schloss sie die Augen.
Doch Lonerins Stimme, der nur ein einziges Wort rief, veranlasste sie dazu, sie wieder zu öffnen.
Das Tier war erstarrt, stand, die rechte Tatze erhoben, die Hörner gesenkt, reglos vor ihr. Nur einen kurzen Moment fragte sich Dubhe, was dieses Wunder bewirkt haben mochte, dann gewann ihr Instinkt die Oberhand, und ihr Körper handelte für sie. Tief bohrte sich die Klinge in die Brust des Tieres. Ohne einen Laut brach es tot zusammen.
Als sie sich umdrehte, sah sie Lonerin keuchend mit ausgestreckter Hand dastehen. »Nicht schlecht, oder? Ein Trick, den wir Magier schon ganz zu Anfang lernen. Lithos heißt er und lähmt den Feind.«
Schwer atmend rappelte Dubhe sich hoch. Auch diese Rettung hatte sie also Lonerin zu verdanken.
Sie hob ihren Bogen auf und betrachte das seltsame Wesen. Seine Augen waren geöffnet und starrten sie immer noch feindselig an.
»Wieso hat es uns bloß angegriffen?«, murmelte sie.
Lonerin zuckte mit den Achseln. »Ein weiterer Beweis, dass es in diesem Wald, in diesen Landen keine Logik gibt, keine Naturgesetze. Hör mal!«
Er hob einen Finger, und sie lauschten. Der Wald schwieg wieder.
»Glaub mir, es ist, wie ich dir gesagt habe. Wir werden die ganze Zeit beobachtet.« Er zeigte auf ihr Bein. »Ist es schlimm?«
Dubhe warf einen kurzen Blick auf ihren Knöchel. Es war nicht viel mehr als ein paar Kratzer, und auch der Stoß in den Unterleib hatte höchstens ein paar blaue Flecke hinterlassen. Sie schüttelte den Kopf und ergriff Lonerins Hand, um sich hochzuziehen. »Nein, es ist schon in Ordnung. Und bei dir?«
»Na ja, du bist ja dann doch noch wach geworden, und ich bin wohl mit dem Schrecken davongekommen.«
Er lächelte, und auch Dubhe rang sich ein Lächeln ab, um die Spannung zu lösen. »Immerhin brauchen wir nicht zu hungern. Das Fleisch kommt uns doch gerade recht, um unsere Vorräte aufzufüllen, oder nicht?«, fügte er hinzu.
Beide machten sich daran, das Tier zu zerlegen. Irgendwann blickte Lonerin zu ihr auf und lächelte wieder. »Hörnerziege, wie findest du das?«
Dubhe blickte ihn fragend an. »Was?«
»Hörnerziege, als Name für diese neue Tierart.«
»Riesenziege vielleicht«, schlug sie zaghaft vor.
»Ja, aber die Hörner sind das Wichtigste. Und außerdem, was ist mit den Krallen?«
»Riesenkatzenhörnerziege.« Lonerin prustete los, doch Dubhe beschränkte sich wieder nur auf ein kurzes Lächeln und schien nicht wirklich Spaß an diesem Spiel zu haben. Sie schien eher ins Schlachten vertieft.
»Du kennst dich damit aus«, bemerkte Lonerin irgendwann.
Dubhe sah nicht von der Arbeit auf. »Das gehört auch zu den vielen Dingen, die mir mein Meister beigebracht hat.«
Lonerin schwieg eine Weile und fragte dann plötzlich: »Er war sehr wichtig für dich, nicht wahr?«
Dubhe versteifte sich ein wenig und antwortete dann: »Er hat mit damals das Leben gerettet, als ich nach dem Tod meines Spielkameraden und der Verbannung aus dem Dorf ziellos durch die Gegend streifte. Irgendwann gelangte ich in eine Ortschaft, die Soldaten überfallen hatten. Und einer von ihnen wollte mir was antun. Der Meister kam hinzu, tötete ihn und hat mich gerettet.«
Ihr Blick zeigte wieder die Schatten, die sich nur so selten lichteten.
Eines Tages schaffe ich es, diesen Schleier zu lüften, dachte Lonerin zu seiner eigenen Überraschung.
»Sieben Jahre lang habe ich mit ihm zusammengelebt. Er war alles für mich. Anfangs wollte er mich gar nicht bei sich haben,
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