Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
hinterlassen. Nein, er hatte sogar gelächelt. In der Gewissheit, dass sie nicht aufgeben, sondern auch für ihn weiterkämpfen würde. Und das würde sie tun. Sie musste es tun! Endlich hatte sie ein echtes Ziel.
Ein sich rosa färbender Himmel kündigte den neuen Tag an, und ein Tritt rief Dubhe in die Gegenwart zurück. Rekla thronte über ihr und starrte sie wütend an. Grob wechselte sie ihr den Verband mit der klaren Absicht, ihr wehzutun, rührte dann einige Zutaten in dem Schüsselchen zusammen und gab ihr das Gebräu zu trinken. Es schmeckte anders als am Vorabend, vielleicht ein Zeichen, dass sie ihr diesmal keinen üblen Streich spielte. Dann zog sie noch einmal die Stricke an Dubhes Knöcheln und Handgelenken fester an und lud sie Filla auf die Schultern.
»Mach mir nur keinen Unsinn!«, zischte sie, während sie Dubhes Haar packte und ihren Kopf hochzog. »Oder du weißt, was dir blüht.«
Für einen Fluchtversuch fühlte sich Dubhe noch viel zu schwach. Das musste sie wohl einige Tage aufschieben. In dem Trank, den Rekla angerührt hatte, war mit Sicherheit ein Beruhigungsmittel, das die Wächterin einsetzte, um ihre Gefangene im Zaum zu halten. Dubhe überlegte, dass sie es, wenn sie fliehen wollte, unbedingt schaffen musste, einen klaren Kopf zu behalten. Außerdem durfte sie nicht vergessen, auch einige Ampullen Gegengift für die Bestie mitgehen zu lassen. Rekla hatte Lonerins Quersack ausgeleert und einige Dinge in der eigenen Wandertasche verstaut. Die trug sie immer um den Hals und hielt sie im Schlaf fest umklammert.
Den ganzen Tag waren sie unterwegs, und dabei gab sich Dubhe benommener, als sie es tatsächlich war. Sie wollte das Verhalten ihrer Peiniger genau studieren, ihre Schwachpunkte aufdecken. Als sie eine Pause machten, um sie zu versorgen, bemerkte sie, dass Filla sie nicht unfreundlich behandelte. Er war anders als Rekla, wechselte ihren Verband mit behutsamen Händen. Vielleicht war ihm Mitleid kein fremdes Gefühl. Die beiden waren schon ein sehr ungleiches Paar, merkwürdig, dass Yeshol sie zusammen ausgeschickt hatte. Vielleicht musste sie versuchen, diese Unterschiedlichkeit bei der Flucht für sich ausnutzen. Wieder verbrachte sie eine schlaflose Nacht. Sie fühlte sich erschöpft, aber es war notwendig, sich ein genaues Bild der Situation zu machen. Immer wenn der Schlaf sie überkommen wollte, drehte sie sich ein wenig auf die verwundete Seite. Kein gutes Heilmittel, doch der Schmerz verhinderte, dass sie einschlief. Den Schlaf ihrer beiden Feinde beobachtend, fiel ihr auf, dass Fillas Atem nach ein paar Stunden tiefer wurde, während Rekla in regelmäßigen Abständen aufwachte und sich prüfend umschaute. Dabei schien sie nicht vollkommen wach zu sein, worauf Dubhe allerdings nicht hätte schwören wollen. Doch nicht das leiseste Geräusch entging ihr, und klang ein Rauschen nur ein wenig anders als zuvor, fuhr ihre Hand unverzüglich zum Dolch, und ihre Augen weiteten sich.
Von ihrer Tasche trennte sie sich nie, hielt sie immer am Körper, den Riemen fest in einer Hand.
Irgendwann sah Dubhe, dass Rekla wach wurde und aufstand. Sie zuckte zusammen und schloss rasch die Augen, um nicht entdeckt zu werden. Die Schultern von Zuckungen befallen, kramte Rekla hektisch in ihrer Wandertasche. Plötzlich wirkte sie eingefallen und gealtert. Auch ihr Gesicht sah anders aus. Im Mondlicht erkannte Dubhe, dass ihre Haut runzelig war, von Falten durchzogen. Da fiel ihr ein, wie Toph, der Assassine, den ihr Yeshol bei ihrem ersten Auftrag für die Gilde als Bewacher mitgegeben hatte, damals gesagt hatte: >Ich habe sie ja nur von Weitem gesehen ... aber sie ging gebeugt, und ihr Haut wirkte um viele Jahre gealtert ... so als sei sie plötzlich so alt geworden, wie sie tatsächlich ist ...< Rekla benutzte einen speziellen Trank, der sie jung hielt. Nahm sie den nicht regelmäßig ein, alterte sie sofort. Und dies war nun wohl geschehen.
Dubhe öffnete die Augen und sah genauer hin. Dabei fürchtete sie nicht, entdeckt zu werden, denn Rekla wirkte zu beschäftigt, um auf ihre Gefangene zu achten. Schon holte sie ein Fläschchen aus der Wandertasche hervor.
Dubhe versuchte, sich die Form dieses Fläschchens genau einzuprägen, denn die Farbe war undefinierbar. Rekla führte die Ampulle an die Lippen und trank, indem sie den Kopf zurücknahm. Noch einmal durchlief eine Zuckung ihren Körper, dann richtete ihr Rücken sich auf, ihre Stirn glättete sich. In aller Ruhe legte sie sich
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