Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
lange vorkam, stand Rekla schweigend vor ihm, so als hätten seine Worte sie nicht im Mindesten berührt. Doch schließlich deutete sie ein Lächeln an, kurz, aber fast verständnisvoll.
»Meinetwegen. Aber bitte mich nicht, zurückzubleiben und auf dich zu warten. Das könnte ich nicht.«
Filla verzichtete darauf, seiner Freude Ausdruck zu geben, verneigte sich nur tief und antwortete: »Ich weiß, Herrin, ich weiß.«
Ein paarmal kniff Dubhe die Augen zusammen, um sich aus der Dunkelheit zu lösen. Sie war zutiefst verwirrt.
»Kannst du mir mal sagen, was du da vorhattest?«
Sie schrak auf. Ja, diese Stimme hätte sie unter Tausenden wiedererkannt. Er war es. Das Wams zerrissen, wo Reklas Dolch ihn verletzt hatte, das Gesicht vielleicht noch dünner und blasser, die grünen Augen wach und voller Leben.
»Bist du in Ordnung?« Lonerin kam näher an sie heran, um sie genauer zu betrachten, und erst jetzt warf sich ihm Dubhe an den Hals, vergaß ihre von der Eiseskälte klammen Knochen und die Angst, die sie eben noch dazu getrieben hatte, ins Wasser zu gehen. Sie konnte es nicht fassen. Lonerin lebte, war hier, bei ihr, und mit einem Mal war das Gefühl der Einsamkeit, das sie all die letzten Tage gequält hatte, völlig verschwunden. Noch nie im Leben war sie so glücklich gewesen.
»Langsam«, murmelte er, aber sie hörte ihn gar nicht, drückte ihn nur noch fester an sich. Seine Haut roch so vertraut, und erst in diesem Moment, in dem sie noch einmal mit Genuss tief einatmete, wurde Dubhe bewusst, wie sehr sie diesen Geruch vermisst hatte.
Auch Lonerin drückte sie jetzt ganz fest, fast verzweifelt an sich. Wie sehr hatte er auf diesen Moment gehofft. Wie sehr hatte sie ihm gefehlt. Jetzt erst passte wieder alles zusammen.
So sanken sie beide, überwältigt von der Erleichterung und der Freude, sich wiederzuhaben, umschlungen am felsigen Teichufer nieder.
Dubhe hob den Kopf und betrachtete mit glänzenden Augen das Gesicht des Freundes. Immer noch konnte sie dieses Geschenk nicht fassen. Es war ein Wunder, ein fantastisches Wunder: Lonerin lebte und lag jetzt in ihren Armen, so als wenn ihm gar nichts zugestoßen wäre. Jetzt blickte er ihr einen Moment tief in die Augen, kam dann ganz nahe an sie heran und küsste sie voller Hingabe. Dubhe stockte der Atem und sie erstarrte.
Und sofort fühlte sie sich mitgerissen von einem Taumel der Gefühle. Ganz lebhaft stand ihr plötzlich das Bild ihres Meisters vor Augen, so als wenn noch nicht einmal ein Tag seit jener einen Nacht vor fast fünf Jahren vergangen wäre. Sie war vollkommen verwirrt, wusste nicht mehr, wo sie war und wessen Hände das waren, die so sanft ihr Gesicht streichelten. Und doch gab sie sich dieser Zärtlichkeit hin: Es war richtig so, das wusste sie, im Grund wünschte sie sich nichts anderes. Sie erwiderte den unerwarteten Kuss und war selbst überrascht, dass sie dazu in der Lage war und mit welcher Sicherheit sie das tat. Traurig und glücklich zugleich fühlte sie sich, schwankend zwischen Vergangenheit und Gegenwart wie nie zuvor. Lonerin raunte ihr Worte ins Ohr, die sie nicht verstand und sie doch sanft berührten. Jeden Widerstand aufgebend, ließ sich von seiner Leidenschaft mitreißen. Es war so, wie sie es sich immer erträumt hatte, als ihr Meister noch lebte, und wie sie es sich auch später nach seinem Tod noch erhofft hatte, wenn sie die Sehnsucht nach Zärtlichkeit überkam, das Verlangen eines erblühten Mädchens, das nie hatte Kind sein dürfen. »Ich liebe dich«, flüsterte er.
Dubhe öffnete die Augen, unsicher, ob sie diese Worte richtig verstanden hatte. Im Halbdunkel der Höhle sah Lonerins Gesicht jetzt tatsächlich so wie das ihres Meisters aus. Sein Atem roch nach Meer, und Dubhe fiel das Häuschen am Ozean wieder ein, wenn die Dachbalken im Sturm geächzt hatten. Lonerins Stimme war wie die Brandung, und immer mehr Erinnerungen überkamen sie. Meister. . .
Erst in diesem Augenblick fragte sie sich, ob es nicht doch falsch war, worauf sie sich einließ. Aber nun gab es kein Zurück mehr, die Verwandlung war vollzogen und alles so, wie es hätte sein sollen.
Als ihr eine Träne über die Wange lief, trocknete Lonerin sie sanft mit dem Handrücken.
»Nicht weinen ...«
Sie schüttelte den Kopf, das Meeresrauschen in den Ohren und das Bild des Meisters vor Augen.
Als es geschehen war, kam ihr die Welt still und gedämpft vor. War dies nun die Liebe, die sie nie kennengelernt hatte? War es das, was geschah,
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