Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
drei Jahren habe ich es hier hinterlassen, und es müsste eigentlich noch da sein.«
Jetzt fuhr Ido mit den Händen über den Erdboden, bis er endlich gefunden hatte, was er suchte. Er lächelte.
»Hilf mir mal.«
Er deutete auf den Zipfel einer Plane, die in all dem Sand kaum zu sehen war.
Die hatte er damals in der Zeit ihres Widerstands schon benutzt, denn sie war ideal, um die gehei men Zugängen zum unterirdischen Kanalsystem des Landes des Feuers zu tarnen. Sie bestand aus einem speziellen Gewebe, das Soana zudem mit einem Zauber belegt hatte, der es fast ganz unsichtbar machte.
»Nimm das andere Ende, und bei drei ziehen wir«, wies Ido den Jungen an. Ohne Schwierigkeiten ließ sich die Plane lösen, und trotz des Staubs meinte Ido sogar, Soanas Geruch wiederzuerkennen. Einen Moment lang schweiften seine Gedanken ab in jenes Reich, wo die Erinnerungen zur Realität wurden. »Was ist los?«
Ido riss sich aus seinen Gedanken. Unter der Plane war eine Leiter zum Vorschein gekommen, die ins Erdinnere führte. Der Junge betrachtete sie mit offenem Mund, und der Gnom musste unwillkürlich lächeln. Alle hatten sie damals dieses Gesicht gemacht, alle, die er damals zu Zeiten des Krieges gegen Dohor zum ersten Mal dort hinuntergeführt hatte. Der erste Kontakt mit dem Alltag des Widerstands machte immer sprachlos.
»Du wirst noch mehr staunen. Komm!«, sagte er, während er als Erster hinabstieg.
Das Wasser floss in einem Kanal, der einige Ellen breit und fast ebenso tief war, während die Wände, die das Tonnengewölbe des Gangs stützten, von schmalen Laufstegen gesäumt waren, auf denen man kaum nebeneinandergehen konnte. Geschwinden Schritts liefen Ido und San auf einem solchen Steg am Wasser entlang, auf das das schwache Licht ihrer Fackel fiel. Hin und wieder gelangten sie zu Verzweigungen, von wo aus Kanäle in andere Richtungen führten, tief hinein ins Berginnere, hin zu irgendeiner großen Stadt oder zum Fluss Passei im Land der Felsen, der auch das Land des Feuers mit Wasser speiste. Die stickige, feuchte Wärme war kaum auszuhalten. Und doch fühlte Ido sich hier wie zu Hause. Er kannte sich noch bestens aus. Jeder Gang kam ihm wie ein alter Freund vor, und entschlossen bog er, die Wände mit den Fingerspitzen abtastend, hierhin und dorthin ab. Es war noch alles so wie drei Jahre zuvor, als die Widerstandsbewegung endgültig aufgerieben war und sie das Kanalsystem im Land des Feuers, von dem aus sie operiert hatte, räumen musste. Schließlich hatte Dohor gegen Ende des Krieges einige Gänge fluten lassen, doch das Kanalnetz war zu weitläufig, um vollkommen zerstört zu werden. Und in der Tat hätte niemand genau sagen können, wie weit sich dieses Labyrinth unter der Erde erstreckte. Nur Ido, denn dies war eine Art Heimat für ihn, und er wusste ganz genau, welche Gänge und Kanäle noch zugänglich und sicher waren. Sie waren noch nicht lange in den Kanälen unterwegs, als er plötzlich stehen blieb. Vor ihnen öffnete sich eine riesengroße Halle, die teilweise von dem Licht erhellt wurde, das durch eine breite offene Raute in der Gewölbedecke einfiel. Davon gab es eine ganze Reihe dort unten, die von außen alle durch Steinhaufen oder Büsche getarnt waren. Es handelte sich um eine alte Zisterne, in der zahlreiche Kanäle zusammenflössen. Und entlang der Wände waren kleine Höhlen und Nischen zu erkennen, in denen die Widerstandskämpfer gewohnt hatten.
Nun, da dies alles verlassen war, kam Ido dieser Schauplatz historischer Schlachten fast wie eine Krypta vor, die der Gnom jedoch rasch mit den Erinnerungen an die alten Freunde und Kameraden sowie deren Frauen und Kinder, die dort gewohnt hatten, bevölkerte. Für ihn erhellten sich die kleinen Nischen und riefen ihm all das ins Gedächtnis zurück, was einst diese kleine, lebendige, ja zuweilen chaotische Gemeinschaft ausgemacht hatte. Auch Soana hatte dort gelebt. Jetzt hatte er wieder ihr Bild vor Augen, ihr Gesicht mit den Schweißperlen auf der Stirn und dem stets sanften Lächeln, während sie die Kinder der Rebellen zum Unterricht brachte oder die Waffen der Krieger mit einem Zauber ausrüstete. Seit ihrem Tod hatte er auf der Welt nichts mehr gefunden, was an ihre Schönheit herangereicht hätte. 7 »Das ist ja fantastisch ...«
Ido fuhr herum. Sich um die eigene Achse drehend, bestaunte San mit offenem Mund die Halle. »Das sind doch die berühmten Kanäle, oder?« Ido nickte.
»Ich habe viel darüber gelesen. Meine Großmutter
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