Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
jemanden, der seine Pflichten für mich auch mal vergessen kann, zumindest hin und wieder.
»Ich kann mit Atroth reden, McKenzie«, fährt er fort. »Ich werde mit ihm reden. Ich werde ihn davon überzeugen, dass er mit dem Falsch …« Er hält inne und holt tief Luft. »Dass er mit Zarrak reden muss. Wir können einen Friedensvertrag aushandeln.«
Arens sarkastisches Lachen hallt durch die Zelle. »Das haben wir schon mal versucht, weißt du nicht mehr? Dein König wollte die Kontrolle über die Tore nicht lockern. Er braucht die Tinril , um den Adel zu bezahlen und seinen Inneren Zirkel zu bestechen.«
»Er braucht das Geld, die Tinril , um das Reich vor euch zu schützen.« Kyols Augen lodern. »Er braucht sie, um ein zweites Brykeld zu verhindern.«
Aren zuckt nicht zusammen, ich jedoch schon. Ich weiß, dass er nicht für das verantwortlich ist, was dort passiert ist. Er bereut das Massaker. Er hat den Fae, der die Schuld daran trägt, sogar verraten, damit der Hof ihn gefangen nehmen konnte. Ich glaube all das, aber er ist für andere Verbrechen verantwortlich, beispielsweise dafür, dass einige von Kyols Schwertkämpfern zu Tor’um geworden sind.
Verdammt, warum muss das alles nur so kompliziert sein?
»McKenzie«, sagt Kyol mit sanfter Stimme. »Ich werde diesen Krieg beenden, so schnell ich kann.«
»Du könntest bei der Rebellion mehr bewirken.« Meine Worte sind eigentlich kein ernstgemeinter Vorschlag, da ich schon weiß, wie Kyols Antwort lautet. Er ist ein zu ehrenwerter Mann, um sich von seinem König loszusagen und das Reich Radaths Brutalität zu überlassen. Es ist egoistisch, das von ihm zu verlangen.
Taber bewacht meine Zelle. Ich bleibe abrupt stehen, als ich ihn erkenne, und bin besorgt, dass er wütend ist, weil ich Naito und Evan erlaubt habe, ihn bewusstlos zu schlagen. Als er nichts sagt und mir nur einen Umhang mit Kapuze reicht, entschuldige ich mich leise bei ihm und bedanke mich – das ist das Mindeste, was ich tun kann –, bevor ich Aren den Korridor entlangfolge.
Er kennt den Weg nach draußen. Wir schleichen durch den schwach beleuchteten Gang und drücken uns eng an eine raue, mit Moos bewachsene Steinwand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns nicht unter dem Silberpalast befinden. Dieser Zellentrakt ist zu groß, hier sind zu viele Gefangene. Wir kommen an über einem Dutzend dicker Holztüren vorbei, und hinter einigen sind das Stöhnen und die Schreie der Zelleninsassen zu hören, während hinter anderen Schweigen herrscht. Vermutlich hat mich Radath durch einen Riss nach Chaer bringen lassen, einem Gefängnis am Rand des Barren. In diesem Landstrich können Fae keinen Riss öffnen, das geht schon seit langer Zeit nicht mehr. Damals hat das Falschblut Thrain ein Tor im Herzen des Barren zerstört. Niemand weiß, warum er das getan hat, aber als das Tor verschwand, entstand eine Leere im Reich, die jedoch nicht mit der Beeinträchtigung durch Silber vergleichbar ist. Es ist noch immer möglich, Risse in der Atmosphäre zu öffnen, aber sie sind zu heiß, um sie zu betreten. Es ist, als wäre das Zwischenreich durch den Verlust dieses Tors beschädigt worden.
An einer Kreuzung hebt Aren die Hand und signalisiert mir, zu warten. Als er um die Ecke geht, schleiche ich langsam vorwärts.
Ich sehe gerade noch rechtzeitig um die Biegung, um zu sehen, wie einer der beiden Fae fällt. Aren wehrt den Angriff des anderen ab und antwortet mit einem Gegenangriff. Der Wachmann taumelt unter den brutalen Hieben und rutscht beinahe aus. Bevor er sein Gleichgewicht wiedergefunden hat, zieht ihm Aren die Beine weg und schlägt ihm den Schwertknauf gegen die Schläfe.
Die Haare in meinem Nacken stellen sich auf. Ich sehe mich im Gang um und lausche auf schnelle Schritte. Der Kampf war kurz – nicht einmal eine Minute während –, aber der Klang von Stahl, der auf Stahl trifft, kam mir so laut vor wie ein Geschützfeuer.
Aren sieht über die Schulter und entdeckt mich an der Ecke. »Alles klar?«
Ich lausche noch einige Sekunden lang und nicke dann. Falls jemand irgendetwas gehört hätte, dann hätte er längst Alarm geschlagen.
Aren streckt eine Hand aus.
»Taltrayn hat bisher Wort gehalten«, sagt er und verschränkt seine Finger mit meinen. »Wenn das so bleibt, dann sorgt er dafür, dass die Wachen auf dem Dach abgelenkt sind, aber wir müssen uns beeilen. Kannst du rennen?«
Ich nicke. Ich habe wohl kaum eine andere Wahl.
Er öffnet die Tür. Der lange Schatten des
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