Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
in der möglichst viel Betrieb ist. Erkundige dich, wo du Saristi finden kannst. Das ist ein Vogel aus den Adaris-Bergen. Jeder wird dir erzählen, dass es in Belecha keine gibt, aber es wird sich bis zu Sethans Anhängern herumsprechen, dass du nach dem Vogel gefragt hast. Sethan hat Anhänger in jeder Stadt. Warte, bis dich einer von ihnen findet. Sie werden dich in Sicherheit bringen.«
Ich nicke und versuche, ruhig und kompetent zu wirken, obwohl ich eigentlich todmüde bin und nicht will, dass er geht.
Er verzieht das Gesicht, und seine Hände drücken fester zu. »Du bist kreativ und wirst schon klarkommen.«
Doch ich mache mir größere Sorgen um Aren als um mich. Seine silbernen Augen nehmen jedes Detail meines Gesichts in sich auf. Das ist kein gutes Zeichen. Er tut fast so, als würden wir uns nie wiedersehen.
» Sidhe , ich will dich nicht verlassen.« Er legt mir eine Hand auf den Nacken und küsst mich leidenschaftlich.
Er schmeckt nach dem Reich, hell und exotisch. Süchtig machend. Meine Edarratae pulsieren im Rhythmus meines Herzschlags. Er ist warm und stark. Als er erschaudert, löst er in meinem Bauch eine kleine Explosion aus. Darin ist er gut, alle Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen, bis es nur noch ihn gibt. Seine Zunge öffnet meine Lippen, tanzt um meine Zunge herum, und meine Welt dreht sich. Ich lasse es zu, bis Aren sich von mir löst und meine Arme festhält.
»McKenzie.« Er küsst mich erneut sanft auf die Lippen, dann noch einmal etwas länger. »Ich werde an der Kreuzung warten. Das verspreche ich.«
24
A m Morgen wartet er dort nicht auf mich. Ich bin die ganze Nacht gelaufen, da ich Angst hatte, nie wieder aufzustehen, wenn ich mich erst einmal hinlege, und ich erreiche die Straße nach Belecha, als sich der Himmel gerade rosa zu färben beginnt. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis ich die Kreuzung erreiche. Ich hatte vor, dort bis zum Nachmittag zu warten, aber ein Gewitter – etwas äußerst seltenes im Reich – zog auf. Außerdem hat mir Aren ja auch gesagt, ich soll nach Belecha gehen, wenn er nicht an der Kreuzung steht. Vielleicht kommt er ja überhaupt nicht her.
Bei dem Gedanken zieht sich mein Magen zusammen.
Ich wende mich nach Norden und sehe zu, wie der festgetretene Boden unter meinen Füßen dahingleitet. Ich bin nicht die Einzige, die auf dem Weg nach Belecha ist. Händler mit ihren von Cirikith gezogenen Karren bevölkern zunehmend die Straße. Aus diesem Grund ziehe ich meinen Umhang fest um mich und achte darauf, dass meine Hände und mein Gesicht nicht zu sehen sind. In Zeiten wie diesen, wenn ich in einer anderen Welt und umgeben von Magiern unterwegs bin, frage ich mich manchmal, ob ich nicht doch verrückt bin. Vielleicht ist mein Verstand in einer sehr detailreichen Halluzination gefangen, während mein Körper der Freiheit beraubt in einem Bett im Bedfont House liegt. Dorthin haben meine Eltern mich geschickt, als ich ständig in der Schule gefehlt habe, einfach ohne Erklärung verschwunden und mehr als einmal dabei erwischt worden bin, wie ich »Selbstgespräche führte« und »einen Anfall hatte«. Kyol hat einen Monat gebraucht, bis er mich dort gefunden hatte, und in diesem Monat hat man mir Medikamente aufgezwungen, und ich war von Menschen umgeben, die wirklich verrückt waren.
Ich ignoriere die alten Erinnerungen und laufe weiter. Eigentlich rechne ich nicht damit, Belecha zu erreichen, da ich davon ausgehe, dass mich Aren schon lange vorher findet, aber als die Sonne hinter den dicken Wolken untergeht, kommen langsam die ersten Gebäude der Stadt in Sicht. Der Stein würde vor dem grauen Himmel gar nicht auffallen, wenn an den Wänden nicht leuchtend grüne Reben wachsen würden. Als der Straßenbelag von festgetretener Erde zu Kopfsteinpflaster wird, bekommen die Wände eine bläuliche Färbung. Die Dunkelheit bricht herein, und Fae-Arbeiter schicken ihre Magie in die Straßenkugelleuchten.
Ich bin schon früher hier gewesen, sogar des Öfteren, aber Kyol hat mich immer direkt zum Tor gebracht. Selbst wenn ich jetzt jemanden bei mir hätte, der für mich einen Riss öffnen könnte, müssten wir bis zum Morgen warten. Die Stadttore werden bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen, und nur die Fae des Hofs dürfen noch passieren, und der einzige Grund, aus dem sie das tun müssten, wäre, um einen Menschen zu begleiten.
Ich wickle den Umhang fester um mich und eile auf ein niedriges Gebäude mit geöffneter Tür zu, durch die Lärm auf
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