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Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)

Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Williams
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anderes als sein üblicher Spott. Auf einmal spüre ich überdeutlich meine Lippen, die sich öffnen, als sie sich an seinen Geschmack erinnern und wie er sich angefühlt hat.
    Er lächelt, hebt meine Hand an seinen Mund und küsst mein geheiltes Handgelenk. »Wir müssen gehen. Kannst du aufstehen?«
    »Ich denke schon«, antworte ich.
    Nachdem er seinen Schwertriemen wieder umgeschnallt hat, hilft er mir auf die Beine. Sobald ich stehe, merke ich, wie erschöpft ich bin. Seit dem Frühstück bei Shane habe ich nichts mehr gegessen. Das muss wenigstens vierundzwanzig Stunden her sein. Ich bin schwach, und Aren muss mich stützen, mich auf die Beine stellen und die Arme um meine Taille legen, bis meine Knie endlich nicht mehr nachgeben. Das dauert eine Weile. Mein Körper fühlt sich verkrampft und wund an, nachdem ich so lange gefroren habe, und meine Haut scheint mit Sandpapier bearbeitet worden zu sein. Meine Handgelenke sind am empfindlichsten. Sie tun nicht wirklich weh, aber ich spüre noch genau, wo sie verbrannt gewesen sind.
    »Alles okay?«, erkundigt sich Aren, und ich spüre seinen Atem warm auf meinem Hals. Ich nicke, und wir drehen uns zur Tür und zu Kyol um.
    Kyol . Er hat dem König die Kette nicht gegeben.
    Ich kann mich nicht bewegen, und das liegt nicht nur daran, dass Arens Arm um meine Taille liegt und mich an seinen Körper drückt. Kyol ist so lange Zeit alles für mich gewesen. Er ist derjenige, an den ich mich immer gewandt, auf den ich mich immer verlassen habe, und jetzt tue ich ihm so weh. Der Schmerz steht deutlich in seinen Augen.
    Er presst die Lippen zusammen und sieht von mir zu Aren. »Erinnerst du dich an den Weg durch den Zellentrakt?« Aren nickt. »Die Wachen am Osteingang sind nicht meine Leute, aber sie sind unerfahren. Ich gehe davon aus, dass du mit ihnen fertig wirst.«
    »Natürlich«, entgegnet Aren.
    »Sie müssen am Leben bleiben, damit sie Radath Bericht erstatten können.«
    Aren nickt erneut. Er versucht, sich zu bewegen, aber ich bleibe stehen. Kyol will damit doch nicht sagen, dass …
    Doch.
    »Du bleibst hier.« Meine Worte sind eher eine Anschuldigung als eine Frage. Kyols Gesicht ist so versteinert wie eh und je.
    Ich drücke Arens Arm weg und gehe durch den Raum auf Kyol zu. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass er meinetwegen zum Märtyrer wird. »Du kannst nicht bleiben. Radath wird dich töten.«
    »McKenzie«, flüstert mir Aren warnend zu. Er eilt zur Tür und drückt sein Ohr dagegen.
    »Sch.« Kyol legt mir einen Finger auf die Lippen. Ich schlage seine Hand weg.
    »Warum willst du nicht gehen?«
    Für einen kurzen Augenblick sehe ich ihn trotz der Maske zusammenzucken. »Der Krieg ist noch nicht vorbei.«
    »Red keinen Unsinn, Kyol.«
    »McKenzie, ich …«
    »Du hast gesagt, du würdest gehen.«
    »Ich kann nicht, Kaesh … «
    »Warum?!«
    »Weil ich es nicht ertragen könnte!«, brüllt er.
    Ich zucke zusammen und spüre einen stechenden Schmerz in der Brust. Schämt er sich so sehr für seine Gefühle? All die Jahre habe ich geglaubt, nur das Gesetz des Königs würde uns voneinander fernhalten. Ich hätte nie gedacht, dass er sich selbst verachtet, weil er mich liebt.
    Aren zieht sein Schwert und murmelt etwas darüber, dass wir alle Wachen auf uns aufmerksam machen.
    »McKenzie«, sagt Kyol mit leiser, wieder kontrollierter Stimme. »Radath versucht schon seit Jahren, den König zu beeinflussen und ihm vorzuschreiben, wie er diesen Krieg zu führen hat. Atroth hört ihn an, weil seine Methoden funktionieren. Ich konnte ihn überzeugen, einige der niederträchtigeren Pläne des Lord General nicht umzusetzen, aber wenn ich gehe … Ich muss bleiben, Kaesha . Ich kann nicht zulassen, dass Radath den König kontrolliert.«
    »Aus diesem Grund willst du bleiben?«, frage ich. Schon seit zu langer Zeit sind die Lügen und die Wahrheit eng miteinander verflochten, und ich weiß nicht, ob ich sie noch auseinanderhalten kann.
    Er spannt die Kiefermuskeln an und nickt. »Wenn ich Atroth Radath überlasse, wird der Krieg enden, aber Tausende unschuldiger Fae werden vorher noch ihr Leben verlieren.«
    Nach seinen Worten fühle ich mich kaum besser. Kyol stellt das Reich wieder mal an die erste Stelle. Ich verstehe, warum er bleiben will, ich respektiere es sogar, aber ich kann so nicht weitermachen. Ich akzeptiere, wer er ist und wofür er steht, aber ich kann nicht länger das Mädchen sein, das in den ehrenwerten Helden verliebt ist; ich brauche

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