Die Schattenmatrix - 20
unsterblich machen würde?
Auch auf die Gefahr hin, voreingenommen zu klingen, kann ich nur sagen, dass sie durch und durch eine Elhalyn war, lieber Bruder. Und wir werden niemals die ganze Geschichte erfahren - welch eine Schande.
Du hast Recht. Aber zumindest ein Teil des Rätsels ist gelöst, und wir können das arme Ding in Frieden ruhen lassen.
Der restliche Morgen verging mit Reisevorbereitungen. Kleider und Decken wurden eingesammelt. Sie aßen schweigend ein hastiges Mahl aus Haferbrei ohne Honig und Milch. Anschließend begannen die Gardisten damit, die Kutsche zu beladen. Die Kinder waren angespannt vor Furcht, selbst Vincent, und Mikhail war nach wie vor unschlüssig, was er ihnen erzählen sollte. Sie schienen verstanden zu haben, dass ihre Mutter gestorben war, aber Mikhail konnte keine Gefühlsregung entdecken, es sei denn Erleichterung. Er beschloss, sich später damit zu befassen.
Es war ein chaotischer Morgen nach einer erschreckenden und anstrengenden Nacht, und Mikhails Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Lediglich sein Verantwortungsbewusstsein hielt ihn davon ab, die Männer oder Liriel anzufahren oder sich an Emelda zu vergreifen. Er hatte noch nie das Bedürfnis gehabt, einem anderen Menschen absichtlich Schmerzen zuzufügen; seine schäumende Wut überraschte ihn und störte ihn erheblich.
Was soll ich nur mit Emelda tun, Liri?
Das ist eine gute Frage, und ich habe keine Antwort darauf parat. Wenn wir sie hier lassen, wird sie wahrscheinlich neues Unheil anrichten, und über eine Rückfahrt nach Thendara mit ihr wäre ich auch nicht gerade begeistert.
Ganz recht! Und was sollen wir mit ihrem Kristall machen? Mir ist nicht wohl bei der Vorstellung, dass wir eine Matrixfalle einfach so hier herumliegen lassen. Auch wenn das Feuer den Stein neutralisiert hat, vermute ich, dass man ihn auch weiterhin benutzen kann.
Hmm, ja. Ich habe das Gefühl, als wäre mein Kopf heute Morgen voller Blei, Bruderherz. Und meine Augen brennen so sehr! Ich glaube, der Sternenstein muss als Allererstes zerstört werden. Ein Hammer und ein Amboss sollten genügen.
Aber was wird das für Emelda bedeuten?
Zertrümmere den Stein! Wenn sie dadurch stirbt, dann stirbt sie eben.
Liriel!
Ich habe nicht die Geduld, mir um irgendwen außer den Kindern Sorgen zu machen. Ich habe sie letzte Nacht überprüft, und es scheint ihnen den Umständen entsprechend ganz gut zu gehen. Aber heute Morgen zeigt Vincent Anzeichen für eine Kopfverletzung - wahrscheinlich, weil er seinen Schädel gegen die Wand geschlagen hat -, und ich kann nichts dagegen unternehmen! Es könnte nur eine leichte Gehirnerschütterung sein, aber auch etwas Ernsteres. Und Alain ist… hinüber. Hinüber? Ich finde, er sieht ganz gut aus.
Oja, körperlich ist er völlig in Ordnung, aber ich glaube, er wäre beinahe mit seiner Mutter gestorben. Sein Geist war von Anfang an sehr zerbrechlich. Ich glaube, dass er zerstört wurde, als … Mikhail wurde von einer neuerlichen Woge von Gefühlen überwältigt. Er spürte das bleischwere Gewicht der Verantwortung für Priscilla Elhalyns plötzlichen Tod, für Alains zerstörte Seele. Das Gefühl des Versagens, das er während der morgendlichen Vorbereitungen noch hatte unterdrücken können, kehrte mit voller Wucht zurück, und ihm war, als müsste er gegen den Teil von sich kämpfen, der wusste, wie unvermögend er in Wirklichkeit war. Er mühte sich, die Stimme jenes anderen Mikhail zum Schweigen zu bringen, und fragte sich zugleich, wie er Priscillas Tod Regis Hastur erklären sollte. Wenn er doch nur sein Schatten-lch vertreiben könnte - doch
es ließ sich nicht so einfach hinauswerfen. Mikhail kam sich vor, als wäre er in einer tiefen Höhle der Angst und des Abscheus über seine eigene Unzulänglichkeit eingesperrt.
Der Sumpf des Elends in seinem Inneren hielt noch einige Minuten an. Dann riss sich Mikhail unter Aufbietung seiner gesamten Willenskraft zusammen, holte mit Hilfe der Feuerzange den leuchtenden Kristall aus der Asche und stapfte durch die Küche in Richtung Ställe davon.
Der Himmel war klar, doch im Norden zogen dichte Wolken auf. Als guter Wetterprophet, der er war, hoffte Mikhail, der Sturm würde sich bis zum Abend und vielleicht sogar bis in den nächsten Tag hinein Zeit lassen. Den Schnee vom letzten Unwetter hatten die Stiefel der Männer bereits verunstaltet, er war aufgewühlt und schmutzig; dieses sichtbare Zeugnis für die Anwesenheit von weiteren Menschen war äußerst
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