Die Schattenmatrix - 20
zu kümmern.
Mikhail sah sich um und schluckte; sein Mund war trocken und roch sehr unangenehm. Seine Muskeln schmerzten, und die Stelle, an der Emelda ihn gekratzt hatte, juckte heftig. Er fühlte sich mehr denn je als Versager und schämte sich maßlos. Es kostete ihn seine gesamte Willenskraft, diese Gefühle zu verbannen und seinem müden Gehirn den Befehl zum Denken zu geben. Er wusste, er würde nur noch mehr Fehler machen, wenn er seinen wirren Gefühlen völlig übermüdet nachgab.
Die Männer von der Garde wirkten am wenigsten mitgenommen von den Ereignissen der letzten Nacht. Mit Ausnahme von Daryll, dem es gelungen war, bis zum Morgengrauen hellwach und auf dem Posten zu bleiben, wachten sie einer nach dem anderen auf, streckten ihre Beine aus, gähnten, grunzten und benahmen sich ganz so, als wäre der Speisesaal von Haus Halyn eine Kaserne. Mikhail sammelte sich so weit, dass er seine Gedanken auf die vor ihm liegende Aufgabe richten konnte.
»Füttert die Pferde und macht euch bereit, wir werden in wenigen Stunden aufbrechen.«
»Und was machen wir mit ihr?«, fragte Tomas und deutete auf die schnarchende Emelda, die immer noch auf den Stuhl gefesselt war. Sie sah auf einmal ganz klein und ungefährlich aus. »Das habe ich noch nicht entschieden.«
Valenta setzte sich inmitten ihres Bündels von Decken auf und sah Mikhail aus rot geränderten Augen an. »Sie hat Ysaba getötet. Sie hat sie die Treppe hinuntergestoßen.«
»Was? Ihr … habt mir doch erzählt, dass Ysaba weggegangen ist.« »Das sollten wir sagen. Die beiden haben sie zusammen getötet, Mutter und Emelda, und unter der Hecke vergraben. Sie dachten, niemand weiß es, aber ich habe es gesehen. Deshalb kommen auch die Krähen immer zum Haus. Sie riechen …« Valentas schmales Gesicht zerfloss plötzlich in Tränen. »Ich habe Ysaba sehr gemocht«, wimmerte sie.
»Wann ist das passiert?«
»Dieses Frühjahr. Sie haben allen erzählt, dass Ysaba überraschend weggegangen ist, aber ich wusste, sie liegt tot im Garten.« Sie begann heftig zu weinen, und Liriel rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte die Hand aus, um das jüngere der ElhalynMädchen zu trösten.
Mikhail war bestürzt. Er zweifelte nicht an Vals Geschichte, denn sie passte nur zu gut zum allgemeinen Wahnsinn in Haus Halyn. Er hatte großes Glück gehabt, dass ihn nicht ein ähnliches Schicksal ereilt hatte, er durfte gar nicht daran denken, wie benebelt sein Verstand damals bei der Stechpuppe gewesen war. Es hätte wie ein tragischer Unfall ausgesehen, und niemand hätte Verdacht geschöpft.
Emelda war zweifellos gefährlich, ob mit oder ohne ihr Stück Kristall. Aber Mikhail vertrat praktisch das Gesetz hier, und er konnte mit ihr verfahren, wie es ihm beliebte. Er war noch nie in einer solchen Position gewesen und stellte fest, dass sie ihm ganz und gar nicht behagte. Die Macht über
Leben und Tod lastete schwer auf seinen Schultern, und er wusste, dass er dieser Verantwortung nie gewachsen sein würde. Duncan, der in der Küche geschlafen hatte, kam herein, seine faltigen Hände zitterten. Er schien in der Nacht um zehn Jahre gealtert zu sein. Doch er warf sich in die Brust und sah Mikhail an. »Bringt Ihr die Kinder weg, ich werde mich um die Domna kümmern.«
»Die Domna ist tot, Duncan«, antwortete Mikhail.
»Ich weiß. Es ist das Beste für sie. Ich werde ihr ein Grab ausheben, bevor der Boden zu hart ist, und sie dort zur letzten Ruhe betten. Ich begrabe sie neben ihrem ersten Pony und ihrem Vater, der ihr schon vorausgegangen ist. Ich schulde ihr …« Seine Stimme verlor sich für einen Moment. »Sie war nicht immer so. Einst war sie eine feine Frau.«
»Aber ihr könnt doch nicht hier bleiben, du, die Kindermädchen und lan.«
»Ach, wir kommen schon zurecht. Wir können jederzeit ins Dorf gehen.« Duncan sah die Kinder an, die kalkweiß im Gesicht und völlig erschöpft waren, und er schüttelte den Kopf. »Bringt sie weg von hier, vai Dom.«
»Das habe ich auch vor.« Mikhail zögerte einen Augenblick, dann fragte er. »Duncan, weißt du, wer der Wächter ist?«
Das alte Faktotum runzelte die Stirn. »Er ist der Vater der Mädchen, jawohl.« Er gestikulierte mit seiner schwieligen Hand in Richtung von Mira und Val. »Glaub ich jedenfalls.« Er hatte offenbar keine Lust, mehr zu erzählen.
Das erklärt eine Menge, Mik. Ein Chieri ein sehr altes, vermute ich. Der Geisterwind muss …
Ja, Liriel. Aber wie konnte sich Priscilla einreden, dass es sie
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