Die Schattenplage
sind, dass wir bereits Kenntnis von all dem haben, was Sie wissen, ermutige ich Sie vorzutreten. Ich würde lieber überflüssige Berichte hören, als das Risiko einzugehen, etwas zu übersehen. Da die Gesellschaft mittlerweile sogar diese vertraulichsten aller Zufluchten entdeckt, ist es für die Ritter an der Zeit, eine aktivere Rolle bei ihrem Schutz zu übernehmen.«
Neuerliche Diskussionen begannen. Eine der maskierten Gestalten an Kendras Tisch murmelte: »Ich wusste, dass das kommen würde.«
Kendra gefiel das alles nicht. Wenn der Sphinx der Hauptmann war und ebenfalls ein Verräter, würde er diese Informationen zu seinem Vorteil nutzen und alles, was die Ritter der Morgendämmerung wussten, an die Gesellschaft des Abendsterns weitergeben. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich irrte.
»Erlauben Sie mir, diese Rede mit ein paar positiven Neuigkeiten abzuschließen: Alle Zeichen deuten zwar darauf hin, dass wir in das dunkelste KAPITEL unserer langen Geschichte eintreten, aber wir zeigen uns der Situation gewachsen. Inmitten dieser immer schwerer werdenden Prüfungen fahren wir fort, wichtige Siege zu erringen, und wir bleiben unseren Gegnern immer einen Schritt voraus. Wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Nur mit unnachgiebiger Hingabe und täglichen Heldentaten werden wir unsere Widersacher überwinden. Sie sind entschlossen, sie sind geduldig, sie sind klug. Aber ich kenne einen jeden von Ihnen, und ich weiß, dass wir der Herausforderung begegnen können. Die kommende Zeit mag unsere dunkelste sein, aber ich bin davon überzeugt, dass sie auch unsere größte sein wird. Es sind Vorbereitungen im Gange, um den kommenden Sturm abzuwehren. Viele von Ihnen werden heute Abend neue Aufträge erhalten. Vieles wurde von Ihnen verlangt. Vieles wird noch von Ihnen verlangt werden. Ich verneige mich vor Ihrem vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Mut. Vielen Dank.«
Als der Hauptmann das Rednerpult verließ, erhoben sich Kendra und alle anderen im Saal, um zu applaudieren. Sie klatschte mit den Händen, aber nicht mit dem Herzen. Waren sie der Gesellschaft des Abendsterns wirklich einen Schritt voraus? Oder hatte sie gerade den getarnten Anführer der Gesellschaft predigen hören?
Gavin beugte sich zu ihr. »Ziemlich gute Rede. Schön kurz.«
Kendra nickte.
Der Applaus erstarb, und die Ritter begannen sich zu zerstreuen. Gavin und Estelle gingen ihrer Wege, und Kendra fand sich umringt von maskierten Fremden. Sie machte sich auf den Weg zu einer mit einem Vorhang verhängten Wand und entdeckte dort Glastüren, die nach draußen führten. Kendra drückte den Griff herunter, stellte fest, dass die Tür unverschlossen war, und schlüpfte in die Nacht hinaus.
Sie war in einen kleinen, mit Fliegengitter überdachten Durchgang gelangt, an dessen Ende sich eine weitere Tür aus Fliegengitter befand. Über ihr leuchteten Sterne am mondlosen Himmel, ungezählte Stecknadelköpfe aus Licht, und als sie durch die Tür am anderen Ende trat, gelangte sie in eine riesige, mit üppiger Vegetation bepflanzte Voliere. Sogar große Bäume wuchsen hier. Ein künstlicher Bach schlängelte sich durch die Pflanzenwelt, den verschlungene Wege an mehreren Stellen überquerten. Ein schwerer Blütenduft hing in der Luft.
Überall in der umfriedeten Wildnis schwebten, sanft leuchtend zwischen Zweigen und Farnwedeln, exotische Feen ohne Zahl. Mehrere kamen über einer Stelle zusammen, an der der Bach einen Teich bildete, und betrachteten ihre schimmernden Spiegelbilder. Die meisten der Feen hatten extravagante Flügel und waren von ungewöhnlicher Farbe. Lange, gazeartige Schwänze schimmerten in der Dunkelheit. Eine pelzige graue Fee mit mottenähnlichen Flügeln und Büscheln rosafarbenen Fells hockte auf einem nahen Zweig. Eine weiße, glitzernde Fee glitt in eine knollenförmige Blüte und verwandelte sie in eine leuchtende Laterne.
Zwei Feen kamen auf Kendra zugeschossen und blieben vor ihr in der Luft stehen. Eine war groß und gefiedert, und ihr Federkleid fächerte sich um ihren Kopf herum kunstvoll auf. Die andere hatte sehr dunkle Haut und prächtige Schmetterlingsflügel mit Tigerstreifen.
Zuerst glaubte Kendra, sie würden ihr ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit zollen, doch dann begriff sie, dass die beiden Feen nur ihr eigenes Spiegelbild in Kendras Maske bewunderten.
Sie erinnerte sich daran, dass Mr. und Mrs. Fairbanks Feensammler waren. Natürlich konnte man die Feen nicht im Haus festhalten –
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