Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
über die Persönlichkeit aussagte. Seine war teuer, exotisch und roch nach Macht.
»Man braucht immer einen Ersatzplan, Armitage«, erklärte er und schüttelte dabei sein Zündholz, bis es ausging. »Nur so ist der Erfolg garantiert.«
Armitage, der Jüngere von ihnen, war natürlich verwirrt, besaß er doch weder Maxwells Erfahrung noch dessen Intellekt – von Bewandertheit in derlei Angelegenheiten ganz zu schweigen. »Unser oberstes Ziel ist, Bishop und den Dhampir zu bekommen.«
Sogleich schien Armitage überrascht. »Dann warten wir einfach?«
»Selbstverständlich nicht.« Nein, der Junge war wirklich nicht denkbegabt. Befehlen konnte Armitage folgen, aber Denken in jedweder Form blieb ihm ein Buch mit sieben Siegeln. Dieser Wesenszug konnte naturgemäß Tugend wie Manko sein, ginge es nach Maxwell. »Die Ordensspitze in Italien teilte mir mit, dass Temple so gut wie gefangen ist. Er will die anderen schnellstmöglich finden.«
»Aber wir haben nicht genug Leute, um den Vampir und den Dhampir zu überwältigen!«
Maxwell lächelte. So träge Armitages Verstand sein mochte, machte es ihm dennoch Spaß, den jungen Mann zu erhellen. »Den Vampir nicht – den Dhampir zu kriegen hingegen wird einfacher. Und Bishop wird leichte Beute, wenn wir erst den Dhampir haben.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Soll ich es für Sie einfacher fassen?«
Hierauf errötete Armitage prompt vor Scham. »Vergeben Sie mir!«
Nein, der Junge war nicht gerade schrecklich helle, aber er wusste, wo er hingehörte, und das wiederum kam ihm zugute. »Wir haben den Dhampir schon einmal benutzt, um Bishop anzulocken. Er glaubt, dass Marika hinterden meisten Vermisstenfällen in dieser Gegend, die wir inszenierten, steckt.«
»Wenn sie aber auch verschwindet, wird er merken, dass sie nicht dafür verantwortlich ist.«
»Ja, und dann wird er sich aufmachen, um den wahren Schuldigen zu suchen. Wir hinterlassen genügend Spuren, um ihn geradewegs zu uns zu führen. Und ist er erst da …«
»… haben wir die Mittel, ihn festzuhalten.« Ein Grinsen brachte Armitages jungenhaftes Gesicht zum Leuchten, als sein Spatzenhirn endlich alle Teile zusammengefügt hatte.
Maxwell lächelte. »Zwei Fliegen, eine Klappe.«
»Brillant, Sir!«
»Ja, ich weiß.« Er schob die Zedernholzkiste über den Schreibtisch, denn ihm war nach Feiern zumute. »Zigarre?«
Kapitel 5
Als er die Augen öffnete, fiel Bishops erster Blick auf Marika. Sie saß auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes, einen Fuß über den Schenkel gekreuzt. Wie immer trug sie ihre abgewetzte Hose und Stiefel. Man mochte ihn altmodisch schelten, aber Bishop fragte sich unweigerlich, wie sie wohl in einem hübschen Kleid aussähe.
Allein dieser Gedanke verriet ihm, dass der Dämon in ihm wieder unter Kontrolle war. Und dass er möglicherweise einen heftigen Tritt gegen den Kopf abbekommen hatte, denn andernfalls würde er diese Frau kaum für attraktiv halten, vor allem nicht, nachdem er quasi versucht hatte, sie aufzuessen.
Sie waren nach wie vor in dem Keller, er auf der Pritsche und erneut angekettet. Leicht hätte er die vergangene Nacht für einen Traum halten können, wären die Fesseln nicht neu. Und irgendjemand hatte endlich daran gedacht, ihm ein Hemd überzuziehen.
Ein weiteres Indiz, das gegen einen Traum sprach, war der Verband an Marikas Hals. Offenbar heilten Wunden bei Dhampiren weniger schnell als bei Vampiren.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte er.
Sie nickte, wobei ihr dunkler Zopf im Lampenlicht bläulich aufschimmerte. »Sie scheinen sich ebenfalls erholt zu haben.«
»Ja.« Den Grund dafür brauchte er ihr gewiss nicht zu nennen. So, wie sie mit den Fingern über den Leinenstoff an ihrem Hals strich, kannte sie ihn bereits. Bei ihm waren nicht einmal mehr Narben von den Silberverbrennungen zu sehen.
»Vermutlich sollte ich dankbar sein, dass Sie mich nicht umgebracht haben.«
»Vermutlich.« Er könnte ihr sagen, dass er sie nicht getötet hätte, aber das fiel ihm schwer – erst recht, weil es der Wahrheit entsprach und er sich das ungern eingestand. »Ich wollte Sie nicht umbringen – nicht so.«
Wieder nickte sie und behielt für sich, wie sie diese Erklärung deutete.
»Das bisschen Blut war alles, was Sie brauchten?«
Ausgerechnet mit ihr diese Unterhaltung zu führen war befremdlich, surreal, als würde man mit einem Freund, der einem gerade einen Shilling geliehen hatte, über Schulden sprechen.
»Weil es
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