Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
was?«
»Warum haben Sie mich gerettet?«, fragte sie und stopfte sich das Hemd in die Hose.
»Wäre es Ihnen lieber gewesen, ich hätte zugelassen, dass die Männer Sie verschleppen?«
»Mir wäre es lieber gewesen, mich selbst zu retten.«
»Aha.« Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. »Vergeben Sie mir, dass ich Ihren Stolz verletzte!«
»Die ganze … Situation war ungleich einfacher für mich, solange ich Sie für meinen Feind hielt.«
»Geht mir nicht anders.«
Einen Moment lang sahen sie einander nur an, als versuchten sie einzuschätzen, wie viel den anderen dieses Geständnis kostete.
Dann verschränkte Marika die Arme vor der Brust. »Sie hätten entkommen können.«
»Ich bin kein Monstrum, Marika«, sagte er angestrengt geduldig, als hätte sie schon von allein darauf kommen können. »Ich würde nie zulassen, dass jemand auf solche Weise verschleppt wird.«
Damit hätte sie sich zufriedengeben sollen, jedoch beunruhigte sie nach wie vor, dass sie ein gänzlich falsches Bild von ihm gehabt hatte. Noch dazu behagte ihr sein »jemand« nicht. Hätte er dasselbe für jeden anderen auch getan?
Zu allem Überfluss fragte sie sich, ob er, wäre sie bei dem Überfall gestorben, zurückgekehrt wäre, um ihr ein kleines Grabmal zu bauen. Und würde er dieses Grab auch in dreihundert Jahren noch pflegen?
Ihr Verstand musste etwas abbekommen haben, als sie vorhin mit dem Kopf auf die Dielen aufgeschlagen war. Anders jedenfalls war nicht zu erklären, warum sie sich wünschte, dass ein Vampir sie für etwas Besonders hielt.
Kurz nach Mitternacht erschien sie vor seiner Haustür. Seine Haushälterin Floarea erschrak, als sie eine junge Dame vor der Tür sah, vor allem als sie erfuhr, dass Marika die Enkelin von Irina Comenescu war.
Irina wohnte anscheinend nicht weit von hier. War Marika zu ihr gegangen, nachdem sie sich um ihre Männer gekümmert und die Leichen der Angreifer weggeschafft hatte? Sie hatte nicht erlaubt, dass Bishop ihr dabei half. Selbst wenn ihn die aufgehende Sonne nicht gehindert hätte, Marika hätte es allemal.
Es war ihre Idee gewesen, dass er sofort aufbrach. Ihmwar es nicht recht gewesen, sie schutzlos zurückzulassen. Andererseits nützte seine Anwesenheit ihr tagsüber ohnehin nicht viel. Und sie sagte, alles müsste so aussehen, als wäre er entkommen. Blieb er aber dort, war die Gefahr zu groß, dass man ihn entdeckte, auch wenn er sich im Keller verbarg. Und sie wollte auf keinen Fall, dass ihre Männer ihn fanden und ihm die Schuld für den Überfall gaben.
Da Bishop ebenso wenig wollte, dass die Leute sich gegen Marika stellten, war er ihrem Wunsch nachgekommen und hatte sich in sein eigenes Haus verkrochen. Was für eine nutzlose Kreatur er doch war!
Später würde er Floarea nach Marikas Großmutter und sonstiger Verwandtschaft fragen. Zum einen musste er seine Neugier befriedigen, und zum anderen war er gewiss nicht so hingerissen von ihr, als dass er sich Informationen entgehen lassen wollte, die ihm einmal nützlich sein könnten.
Als Marika wenige Augenblicke später in seine Bibliothek kam, gab es allerdings nur eine einzige Information, nach der es ihn verlangte, und das war die Antwort auf: »Warum haben Sie einen Koffer bei sich?«
Marika stellte das abgewetzte Stück auf dem Teppich ab und sah ihn verwundert an, als er aufstand. »Wäre es Ihnen lieber, wenn ich nackt durch Ihr Haus stolziere?«
Floarea schien hell entsetzt und wandte ihm ihr faltiges Gesicht zu. Da ihn beide Frauen anstarrten, hielt Bishop es für angeraten, weniger ehrlich zu antworten, als es sein Gefühl verlangte.
»Ich möchte, dass Sie überhaupt nicht in meinem Haus herumstolzieren.«
Nun kräuselte Marika die Stirn, und die arme Floarea wirkte auch nicht gerade schrecklich froh über diese Bemerkung. Zugegeben, sie war ein klein wenig unhöflich, aber die Haushälterin hatte keine Ahnung, wer diese Frau wirklich war.
Was
sie wirklich war. Und die eigentliche Hauseigentümerin wäre ganz sicher nicht erfreut, die Jägerin unter ihrem Dach zu beherbergen.
Bishop war ebenso wenig von der Vorstellung begeistert. In all den Jahren, die er bereits auf Erden wandelte, hatte er sein Heim niemals mit einer Frau geteilt, mit der ihn keine romantische Beziehung verband, und von denen hatte es nur sehr wenige gegeben. Er zog es vor, allein in seinen eigenen vier Wänden zu leben.
Vor allem schlief er gern ohne die Angst, dass jemand versuchen könnte, ihn währenddessen zu
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