Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
Reue blieb später noch Zeit. Falls sie lange genug lebte.
»Sind Sie sicher, dass mehr Menschen darin verwickelt sind?« Bei Gott, wenn sie ihm doch bloß ein Hemd geben könnte! Der Anblick seines nackten Oberkörpers lenkte sie ab, und jeder Gedanke an Reue – jeder Gedanke an
irgendetwas
– verpuffte.
»Einer von ihnen erwähnte einen ›höheren Zweck‹, dem diese Entführungen dienen sollten«, sagte Bishop und richtete sich langsam auf – etwas wackelig zwar, dochimmer noch mit einer unvorstellbaren Geschmeidigkeit. »Mithin würde ich denken, dass wir es hier mit einer ziemlich ernstzunehmenden Angelegenheit zu tun haben.«
Gott allein wusste, wie viele noch da draußen sein mochten. Und wenn die Männer, die man ihr geschickt hatte, nicht zurückkehrten, könnten andere kommen …
»Sie dürfen nicht hierbleiben.« Noch während sie es aussprach, wurde ihr klar, wie unsinnig es war. Er wusste ja bereits, dass er hier nicht sicher war. Keiner von ihnen war hier mehr sicher. Ihren Männern vertraute sie, dass sie sich in der Gegend verteilten und dem Dorf fernblieben. Und sie konnte auf sich selbst aufpassen, sich ein Plätzchen suchen, an dem sie ihr nicht so schnell auf die Spur kämen, und zugleich nach ihren Verfolgern suchen.
»Ich habe ein Haus in Fagaras«, sagte er.
»Dann gehen Sie dorthin. Ich werde nachkommen, sobald ich kann.«
Er sah sie verwundert an. »Wozu?«
»Sie wollen Ihren Freund finden«, antwortete sie und ging zum Schrank, um sich frische Kleidung herauszunehmen. »Ich will wissen, warum diese Männer wollen, dass man mich für ihr Handeln verantwortlich macht. Und je eher wir diese Fragen geklärt haben, umso früher können Sie Rumänien verlassen.«
Sie spürte deutlich, dass er sie ansah, denn sein Blick schien sich buchstäblich in ihren Rücken zu brennen. Regungslos stand sie da und starrte in ihren Schrank. »Ich würde Ihnen gern helfen, Ihren Freund zu finden – und diese Männer.«
Zunächst erwiderte er gar nichts, und als er schließlich etwas sagte, war es nicht das, was sie erwartet hatte.»Ich bin der Erste, den Sie davonkommen lassen, hab ich recht?«
Sie nickte und blickte sich zu ihm um. »So wenig es mir gefällt, scheint es doch, als hätten Sie und ich einen gemeinsamen Feind. Deshalb bin ich gewillt, meine Vorurteile beiseitezulassen und Ihnen zu vertrauen – vorausgesetzt, Sie sind bereit, dasselbe zu tun.«
Tatsächlich lächelte Bishop nun, und prompt verdoppelte Marikas Herz sein Schlagtempo. »Das ist ungemein tolerant von Ihnen, kleines Halbblut.«
»Nein, es hat nichts mit Toleranz zu tun«, entgegnete sie, bemühte sich aber leider vergebens um einen strengen Tonfall. »Ich schulde Ihnen etwas, und ich möchte mich nicht für den Rest meines Lebens fragen müssen, ob diese Männer noch einmal versuchen werden, mich zu entführen. Lieber sterbe ich, als dass ich mich zu einer Gruselfigur auf Jahrmärkten machen lasse.«
»Sie glauben, dass die das wollten?«
Sie zuckte mit den Schultern und nahm sich ein Hemd aus dem Schrank. »Wer weiß. Es wäre eine von vielen Möglichkeiten, die mir Angst machen. Aber es könnten alle erdenklichen Scheußlichkeiten im Gange sein, und welche auch zutreffen mag, ich will nicht zu einem Teil von ihr werden.«
Nun stemmte Bishop die Hände in die schmale Wölbung seiner Hüften, dorthin, wo gewöhnlich sein Hosenbund sitzen musste. »Was ist mit Ihren Freunden? Werden sie nicht nach Ihnen suchen, wenn Sie mich ihnen nicht übergeben?«
»Das sind nicht meine Freunde, und was ich ihnen erzähle, muss Sie nicht kümmern.« Sie riss sich das herunter,was von ihrem Hemd noch übrig war, nachdem er es bereits zerfetzt hatte, um an ihre Wunde zu gelangen. »Ich denke mir etwas aus.«
Darauf sagte er nichts. Schweigend beobachtete er sie beim Umziehen. Es war nicht so, als stünde sie nackt vor ihm, immerhin trug sie ein kleines Halbkorsett, so dass er nicht allzu viel sah. Dennoch fühlte sie sich vollständig entblößt, so aufmerksam, wie er sie betrachtete. Ihr Körper verspannte sich, und sie hatte ihre liebe Not, schnellstens das frische Hemd überzustreifen, zumal ihre Schulter vor Schmerz pochte.
»Warum?«, fragte sie schließlich, weil ihr das Schweigen zu lange dauerte. Wenn nicht mindestens einer von ihnen beiden sprach, stand zu befürchten, dass weit Intimeres geschehen könnte.
Nun blickte er ihr wieder ins Gesicht. Wohin er vorher gesehen hatte, wollte sie gar nicht wissen. »Warum
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