Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
glaube, das habe ich nachdrücklich bewiesen.«
Inzwischen trennten sie nur noch wenige Zentimeter. »Ja. Ich denke, wir wissen beide um die Wirkung, die wir aufeinander haben.«
Bishop wollte nicht recht gefallen, dass sie seine Taktik offensichtlich genauso gut beherrschte. »Fühlst du dich deshalb verwundbar?«
»Ein wenig, ja.«
»Gut.« Er trat einen Schritt zurück. »Geh dich umziehen! Die Nacht dauert nicht ewig.«
»Nein!« Marika hob die Hand, um das Gespräch zu beenden, während sie durch die Dunkelheit zum Stall stapfte. Er war absichtlich so hartnäckig, damit sie schließlich nachgab, nur um endlich ihre Ruhe zu haben.
Bishop ignorierte sowohl ihre Hand als auch ihr Nein. »Es wird aber schneller gehen.«
»Ich sagte nein!« Sie wirbelte so schnell auf dem Absatz herum, dass sie beinahe kollidierten. »Warum hörst du mir nicht zu?«
Er lächelte, was nicht mehr als ein Hauch von Spott war, der seine sinnlichen Lippen umspielte. »Angst?«
»Wenn du es unbedingt wissen willst, ja.« Ha! Damit hatte er nicht gerechnet! »Es ist unnatürlich für einen Mann zu fliegen.«
»Aber es ist praktisch«, entgegnete er. »Ich kann nicht glauben, dass du tatsächlich vor etwas Angst hast.«
So überrascht brauchte er sich nun wahrlich nicht zu geben. Es gab eine Menge Dinge, die ihr Angst machten. Aber natürlich hatte sie nicht vor, ihn in noch mehr ihrer Geheimnisse einzuweihen.
Beispielsweise in jenes, dass sie Angst vor ihm hatte, vor allem vor seiner Wirkung auf sie. In seiner Nähe klopfte ihr Herz schneller, und ihre Lunge tat sich mit dem Atmen schwer. Doch trotz dieses Unbehagens war es ihr zusehends lieber, bei ihm zu sein statt ohne ihn.
»Vertrau mir!«, sagte er und zog sie in seine Arme. »Ich würde nie zulassen, dass dir etwas passiert.«
Wider besseres Wissen legte sie nun prompt die Arme um ihn. »Ich will ja, aber du verkörperst alles, dem ich zu misstrauen gelernt habe. Mein Herz sagt mir, dass du gefährlich bist.«
Er grinste. »Dein Herz hat recht, aber das heißt nicht, dass du mir nicht vertrauen kannst.«
Noch ehe sie etwas erwidern konnte, waren sie in der Luft. Sie hatte nichts weiter gefühlt, außer dass er die Knie ganz leicht gebeugt hatte und dann ein starker Wind auf sie hinabblies.
»O mein Gott!« Sie kniff die Augen fest zu und klammerte sich an ihn, während der Boden unter ihnen in immer weitere Ferne rückte.
Bishops Lachen strich warm über ihr Ohr. »Hab keine Angst, Halbblut! Ich halte dich.«
Vorsichtig öffnete Marika erst das eine, dann das andere Auge. Bishop hielt sie mit dem Gesicht zu sich, und solange sie sich nicht in seinen Armen umdrehte, konnte sie nur ihn sehen. Wie ein Pfeil schossen sie durch die Luft, doch sie nahm nichts außer seinen leuchtenden Augen und den schattigen Umrissen seines Gesichts wahr.
Verlässlich und sicher umfasste er sie, hielt sie an sich gepresst, aber nicht so, dass es schmerzte. Er war so unsagbar stark. Und er würde sie nicht fallen lassen, da hatte sie keinerlei Zweifel. Nach und nach entspannte sie sich, indem sie sich ganz auf sein wunderschönes Gesicht konzentrierte.
Er lächelte sie an, als er merkte, wie ihre Muskeln sich entspannten. »Besser?«
Sie nickte. »Ich glaube schon.«
»Wir sind fast da.«
Er hatte nicht gelogen. Binnen Minuten waren sie wieder auf der Erde. Und natürlich behielt er recht: Fliegen war sehr viel schneller.
Glücklicherweise war er klug genug gewesen, um sie außerhalb der Dorflichter zu Boden zu bringen. Ihre Männer waren dort und reparierten die Schäden von dem Überfall. Würden sie ihre Familien zurückbringen oder sich ein sichereres Zuhause für sie suchen?
Marika zögerte. Das hier war ihr Zuhause, und es waren ihre Männer, aber sie brachte einen Eindringling mit. Sie wusste, dass sie Bishop trauen konnte, sie nicht vom Himmel fallen zu lassen, mit ihr den gemeinsamen Feind zu finden, aber danach, was wäre dann? Sie hatte ihn nichtbloß entführt, sondern sogar noch gefoltert. Gewiss würde er ihr das zurückzahlen wollen.
Ihre Männer könnten nicht verstehen, warum er hier war, wenn sie ihnen nicht die ganze Wahrheit sagte. Und obschon sie ihnen ihr Leben anvertrauen würde, die Wahrheit war etwas anderes. Wie sonderbar, dass sie Bishop in mancherlei Hinsicht mehr vertraute als ihren eigenen Freunden.
Sie ging voraus bis zur Dorfmitte, wo ein Feuer mit allen Trümmern brannte, die nicht mehr zu verwenden waren. Gesprächsfetzen, Hämmern,
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