Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
ich mich einmal umsehen wollte. Es geht das Gerücht, dass sich dort in letzter Zeit häufiger Engländer blicken ließen.«
Prompt wurde sie kreidebleich. »Da musst du nicht hingehen.«
»Wieso nicht? Weil du nicht willst, dass die Männer, denen du mich verkaufen wolltest, mitbekommen, dass du sie betrogen hast?«
Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber sie wurde noch blasser. »Woher weißt du das?«
»Ich bin dir letzte Nacht gefolgt.«
Es brach kein Sturm los, wie er erwartet hatte – obwohl er nicht behauptet hätte, dass sie nicht wütend war. »Mir gefolgt?«
Er hätte die Augen verdreht, würde er wagen, den Blick von ihr abzuwenden. »Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, ich würde dich nach dem, was passiert ist, allein herumwandern lassen!«
Marika stand stocksteif da, wirkte jedoch eher verlegen als erzürnt. Fragte sie sich, ob er sie weinen gesehen hatte? »Dachtest du, ich würde mir etwas antun?«
»Nachdem du erlaubt hast, dass dich ein Vampir besudelt?« Er lehnte sich ans Treppengeländer, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt. »Der Gedanke kam mir, ja.«
Sie zuckte sichtlich zusammen. »Ich werde dich nicht belügen, Bishop. Ein Teil von mir tut sich schwer mit dem, was … zwischen uns geschehen ist.«
»Welcher Teil?« Er wollte sie provozieren.
Doch sie ignorierte es. »Ob ich es bereuen werde oder nicht, wird sich zeigen, aber deshalb bin ich nicht gegangen.«
Ihre kühle Art hätte ihn gestört, wäre er nicht so ungemein erleichtert, dass sie nicht weggelaufen war, weil sie sich vor dem ekelte, was sie getan hatten. »Warum bist du dann gegangen?«
Seufzend legte Marika eine Hand auf den Treppenpfosten, die andere in ihre Hüfte. »Weil du mich dazu bringst, Dinge in Frage zu stellen, die mir bisher außer Zweifel zu stehen schienen. Du machst mich unsicher, und das war ich nie. Mir gefällt es nicht, an mir zu zweifeln. Und noch viel weniger gefällt mir, einsehen zu müssen, dass ein Vampir nichts durch und durch Böses ist.«
Er schüttelte den Kopf und lächelte sie dabei anerkennend an. Wie sehr ihn ihre Worte freuten – mehr, als sie sollten, so viel stand fest. »Bist du immer so ehrlich?«
»Wenn ich will, ja.«
Nun erstarb sein Lächeln, denn damit waren die Vorzeichen für seine nächste Frage nicht gerade die besten. »Warum warst du in der Taverne?«
»Um dem Engländer zu sagen, dass du geflohen bist, und unsere Abmachung aufzukündigen. Aber das dürftest du ja schon wissen, wenn du dort warst.«
Er zuckte nur mit den Schultern. Was sollte er ihr sagen? Dass er es von ihr hören wollte? Dass sie ihm in die Augen sehen sollte, wenn sie es sagte?
»Und jetzt ist es an dir, ehrlich zu sein. Warst du es, der mich aus dem Stall trug?«
Er nickte. Gewiss würde sie jetzt darauf zu sprechen kommen, dass er sie entkleidet hatte, und sie würde wissen wollen, ob er sie ein weiteres Mal besudelt hatte.
»Ich danke dir.«
»Gern geschehen.« Einen Moment lang sah er sie an. Sie war so offen, dass es eine Schande wäre, die Gelegenheit nicht zu nutzen. »Du bereust den gestrigen Abend nicht?«
»Noch nicht, nein«, antwortete sie, ohne den Blick von ihm abzuwenden.
Er lachte leise. »Du verletzt meinen Stolz, Halbblut.«
»Was ist bloß los mit euch Männern, dass ihr immer so empfindlich seid, was eure Manneskraft betrifft?«
Sofort war er nicht mehr amüsiert, sondern um einiges ernster – und verletzlicher. »Ich glaube, das ist das erste Mal, dass du von mir als einem Mann sprichst, nicht als einem Monstrum oder einer Kreatur.«
Nun wandte sie das Gesicht ab. »Inzwischen hört es sich beinahe wie ein Kosename an, wenn du mich Halbblut nennst. Vielleicht ändert sich für uns beide mehr, als wir uns eingestehen möchten.«
»Vielleicht.«
Wieder richteten ihre schwarzen Augen sich auf ihn, ihr Blick undeutbar. »Das heißt nicht, dass es mir gefallen muss.«
»Oder mir.«
»Und erwarte nicht, dass das, was gestern Abend geschah, wieder geschehen wird! Es war ein Moment derSchwäche, sonst nichts.« Wenn das stimmte, warum kam sie dann näher?
»Hat deine Neugier dich übermannt?«, fragte er amüsiert und ein kleines bisschen beleidigt.
»Genau. Es war eine momentane Gefühlswallung.«
»Ich war wütend.« Und das war noch milde ausgedrückt.
Trotzig reckte sie das Kinn. »Du wolltest mir unbedingt etwas beweisen.«
»Dass du dich zu mir hingezogen fühlst.« Das sagte er, um sie zu necken, und sie wussten es beide. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher