Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
nicht hinter den anderen Vermisstenfällen steckt. Ich hätte mir allerdings nie erträumt, dass er sie verteidigt.«
Victor verkniff sich ein Seufzen. Vielleicht könnte er dieses Treffen doch unbeschadet überstehen.
Stirnrunzelnd lehnte Maxwell sich auf seinem Stuhl zurück und tippte mit dem Stift auf die polierte Schreibtischplatte. »Sind wir sicher, dass es der Vampir war, der ihr half?«
»Ziemlich.« Nun wurde Victor zuversichtlicher. »Gestern Abend, nachdem ich begriffen hatte, dass unsere Männer keinen Erfolg gehabt hatten, kehrte ich zu der Taverne zurück, in der ich den Dhampir erstmals traf. Er war dort.«
»Und Sie haben ihn nicht gefangen genommen?«
»Die Frau behauptete, dass sie gekommen sei, um nach mir zu suchen und mir von der Flucht des Vampirs zu erzählen. Ich hielt es für besser, sie gehen zu lassen, damit wir sie beobachten können. Auf diese Weise finden wir heraus, ob sie uns betrügen will, oder aber wir lassen uns von ihr zu dem Vampir führen.« In Wahrheit hatte Victor gar nicht daran gedacht, sie gefangen zu nehmen. Sie schien ihm aufgebracht und ein bisschen wild, weshalb er Angst vor ihr bekommen hatte.
Der ältere Mann nickte, runzelte jedoch immer noch die Stirn. »Verstehe.«
»Es ist gut, dass ich nichts weiter unternahm, Mylord, denn keine Minute nachdem die Frau verschwunden war, tauchte der Vampir auf. Hätten wir versucht, sie zu schnappen, hätte er uns ganz gewiss alle getötet.«
Daraufhin starrte Maxwell ihn erschrocken an. »Sie lügen!«
»Bei meiner Ehre, es ist wahr! Er sagte mir, sollte ich mich noch ein Mal dem Dhampir nähern, wäre ich ein toter Mann.« Bei der Erinnerung daran wurde sein Mund unangenehm trocken. »Ich zog meine Pistole, aber als ich mich umdrehte, war er weg.«
»Sie sind sehr schnell, diese Vampire. Und Bishop und seine Brüder sind sogar noch schneller, weil ihr Blut so überaus rein ist.« Er hörte auf, mit dem Stift auf den Tisch zu tippen. »Man könnte fast meinen, dass der Vampir und der Dhampir eine Art Beziehung unterhalten. Treiben sie es miteinander, was denken Sie?«
Victor stand der Mund offen, weil eine solch hochrangige Person derart vulgär wurde. »Das kann ich nicht sagen, Mylord.«
Maxwell wedelte mit dem Stift. »Es ist lediglich eine Vermutung, aber das alles klingt höchst interessant, Victor, höchst interessant!«
Victor strahlte, da er es für ein Lob hielt. »Ich danke Ihnen, Mylord.«
Der Ältere erhob sich. »Ich habe eine neue Aufgabe für Sie, mein Junge. Folgen Sie mir!«
»Eine neue Aufgabe, Sir?«
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Victor.«
Er folgte Maxwell zu einer schweren Tür, die der Ältere öffnete. Dahinter war nichts als Dunkelheit.
Victor blickte angestrengt in die Finsternis, konnte allerdings nichts außer ein paar Stufen ausmachen, die hinabführten. Ein entsetzlicher Gestank wehte ihm entgegen, und die Luft war deutlich kühler als im Zimmer. Es war ein Keller, der nach gewaltsamem Tod und Verfall stank.
»Was ist das?«, entfuhr es ihm, bevor er nachdenken konnte. Eigentlich wollte er es gar nicht wissen.
»Das ist Ihr neues Zuhause«, antwortete Maxwell und schob ihn in die Dunkelheit. »Vielleicht werden Sie danach nicht mehr solch eine Enttäuschung sein.«
Victor blieb keine Zeit, um zu reagieren. Der ältere Mann war stärker, als er aussah, und Victor stolperte. Hinter ihm knallte die Tür zu, während er die Treppe hinunterfiel.
Er schrie, als ihm ein scharfer plötzlicher Schmerz durch den Brustkorb schoss. Wie viele Rippen mochte er sich gebrochen haben? Sein Unterarm krachte gegen die Stufen und brach unter Victors Gewicht.
Schließlich schlug er auf dem Boden auf, wo er ächzend durch den Schmutz rollte.
Er öffnete die Augen. War das ein Licht? Ja, eine flackernde Flamme näherte sich ihm, und er vernahm gedämpfte Schritte.
Ein Gesicht, bleich und lang, beugte sich über ihn, das im Licht der schwachen Lampe von unheimlichen Schatten überlagert wurde.
»Ja«, sagte der Mann mit einer Stimme, bei der Victor eiskalt wurde. »Du genügst. Du genügst allemal.«
Dann fiel Victors Blick auf das Ding hinter ihm, und er schrie.
»Gütiger Gott!«
Bishop starrte Marika an, als sie kurz vor Sonnenuntergang ins Haus kam. Das Haus war dunkel, weil sämtliche Vorhänge geschlossen waren, und er trat aus dem schwachen Lichtstrahl, der durch die offene Tür hereinfiel. »Bitte sag mir, dass du das nicht meinetwegen angezogen hast!«
»Selbstverständlich
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