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Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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auswählen und schon stirbt derjenige einen grauenvollen Tod. Dabei muss man aber einige Grundregeln beachten. Wenn man zum Beispiel möchte, dass das Handelsschiff eines Konkurrenten untergeht, sollte man nicht das Schiff, sondern den Kapitän verfluchen«, ratterte Gianna ihr Wissen in einem Tonfall herunter, als ob sie den Inhalt eines Computerspiels beschreiben würde. »Auch wenn der Fluch sofort anfängt zu wirken, können sich Fluchdämonen mit der vollständigen Erfüllung des Fluches nämlich Zeit lassen und da Gegenstände meist länger existieren als ein Menschenleben andauert, sollte man kein Risiko eingehen. Bevor es an die einzelnen Beschwörungen ging, habe ich jedoch aufgehört zu lesen.« Sie seufzte auf. »Wenn dieser schwarze Nebel nicht gewesen wäre, hätte ich es offen gestanden für das Werk eines völlig übergeschnappten und geisteskranken Autors gehalten«, fügte sie mit einem Schaudern hinzu.
    Francesca musste an die Entstehungsgeschichte des Necronomicons denken und wie sein Autor Abdul Alhazred tagelang durch die Wüste geirrt war. Vielleicht war er damals dem Tod so nahe gewesen, dass er mit etwas in Kontakt gekommen war, das den Rahmen der menschlichen Vorstellungskraft tatsächlich sprengte.
    Enttäuscht ließ sich Francesca auf das Bett zurücksinken und starrte die Decke an. Flüche, Beschwörungen, Dämonen – dasbrachte sie alles nicht weiter. Francesca interessierte einzig und allein, wie man einen Fluch aufheben konnte. Für dieses wahnwitzige Gerede über Fluchdämonen hatte sie nun all diese Gefahren auf sich genommen und ließ zu, dass sich die bösartige Finsternis des Buches im Palazzo ausbreitete? Selbst wenn das Necronomicon tatsächlich all diese Dinge bewirken konnte – Francesca war sich sicher, dass sie solche Abscheulichkeiten niemals brauchen und in die Tat umsetzen würde. Abgesehen davon befürchtete sie immer noch, dass der Einbrecher aus Baldinis Antiquariat jeden Moment in den Palazzo eindringen konnte, da er herausgefunden hatte, dass Francesca das Necronomicon an sich genommen hatte. Dieses Buch zu besitzen brachte ihnen nur Unglück! Wut wallte in ihr auf. Warum hatte Baldini ihr das Necronomicon überhaupt erst gegeben? Er musste doch gewusst haben, was es anrichten konnte! Hatte er damit etwa einen perfiden Racheplan verfolgt und wollte mithilfe ihrer Gutgläubigkeit und Unwissenheit die Familie Medici vernichten? Wer konnte nach der vergangenen Nacht denn schon ahnen, was als Nächstes geschehen würde? Wenn sie das Necronomicon nicht mit in den Palazzo gebracht hätte, wäre all dies niemals geschehen. Francesca ballte die Fäuste. Wegen dieses Buches wäre ihre Großmutter in der letzten Nacht um ein Haar gestorben!
    Entschlossen setzte sie sich auf. »Mir reicht es jetzt!«, zischte sie.
    »Was meinst du denn damit?« Gianna sah sie verständnislos an. »Hey, wo willst du hin?«
    Francesca stürmte mit grimmiger Miene aus dem Zimmer. Gianna konnte ihr nur mit Mühe folgen.
    »Was hast du denn vor?«, fragte sie atemlos.
    »Wir müssen das Necronomicon loswerden!«, erklärte Francesca. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich will keine weitere Nacht mit diesem Buch unter einem Dach verbringen! Wir haben keine Ahnung, was es noch alles anrichten kann. Vielleicht setzt heute Nacht jemand aus der Familie den Palazzo in Brand? Oder stürzt sich während eines Albtraums aus dem Fenster?«
    Sie riss die Tür zu Fiorellas Zimmer auf. Fast erstaunt stellte sie fest, dass alles normal war. Es waren weder düstere Schatten noch irgendwelche Monster zu sehen.
    Angeekelt starrte Francesca auf das Necronomicon, das unschuldig auf dem Glastisch lag. »Dieses Buch ist böse, Gianna. Irgendetwas von dem, was auf seine Seiten geschrieben worden ist, lässt es lebendig werden – und genau das versucht jetzt, herauszukommen und Macht über uns zu erlangen.«
    Ohne weiteres Zögern griff sie danach und öffnete das Fenster. Ein eisiger Wind fuhr ins Zimmer und zerzauste den beiden Mädchen die Haare. Francesca blickte nach unten. Der Kanal war menschenleer, die angelegten Boote hoben und senkten sich sanft im dunklen Wasser.
    Gianna zog scharf die Luft ein. »Du hast doch nicht etwa vor, es aus dem Fenster zu werfen?«
    »Warum denn nicht? So vieles haben Venedigs Kanäle schon für immer verschlungen.«
    »Aber wenn Fiorella das erfährt, wird sie ausrasten!«
    »Dann ist sie eben sauer auf mich, na und?« Francesca zuckte mit den Schultern. »Willst du

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