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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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ihn da nicht mit reinziehen … und duweißt, was das bedeuten würde, oder? Du weißt, wohin Jonathan dann gehen müsste!«
    »Wovon redet er?«
    Alains Kopf sank in die Kissen zurück.
    »S’geht nich anders«, stammelte er. »Er weiß … er kann überqueren.«
    Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Was sagt er da? Ich verstehe nicht. Bitte erkläre es mir.«
    Miss Elwood wandte wieder ihr Gesicht ab.
    »Er sagt ›Carnegie‹. Er will, dass Carnegie sich um dich kümmert.«
    »Und wer ist Carnegie?«
    »Ein Freund deines Vaters. Er lebt in Darkside.«
    Sie wurde unterbrochen von einem lauten Krachen aus Zimmer acht, dem ein schriller, angstverzerrter Schrei folgte.
    »Was um Himmels willen war das?«
    Ein weiterer Schrei ertönte und eine Glasscheibe zersplitterte.
    »Keine Ahnung. Klingt aber nicht gut.«
    Sie hörten, wie die Tür des Nachbarzimmers aufgerissen wurde und eilige Schritte den Gang entlang widerhallten. Jonathan sprang auf und spähte vorsichtig zur Tür hinaus. Er konnte in der Finsternis gerade noch eine Silhouette erkennen, die Richtung Treppenhaus eilte.
    »Jonathan, ich bin sicher, dass die Ärzte wissen, was sie tun.«
    »Ich glaube nicht, dass das ein Arzt war.«
    »Nein, geh da nicht raus. Jonathan!«
    Es war zu spät. Er schlüpfte hinaus auf den Gang. Von irgendwoher wehte ein eiskalter Luftzug und die Tür von Zimmer acht schlug wild gegen die Wand. Jonathan näherte sich ihr langsam, atmete tief durch und spähte in den Raum.
    Es musste ein erbitterter Kampf gewesen sein. Das Bett war umgeworfen und die Wäsche war quer über den Boden verteilt. Die Lampe war zerbrochen und an den Wänden waren Blutflecken. Irgendetwas war mit unvorstellbarer Wucht aus dem Fenster geschleudert worden und hatte die Scheibe sowie das dahinter liegende Gitter durchbrochen. Beide, der Besucher und der Patient, waren verschwunden. Aber Jonathan hatte nur eine Person den Gang entlang verschwinden sehen. Er näherte sich langsam dem Fenster und spähte hinaus. Weit unten lag, gebettet auf einem Haufen Glasscherben, ein Körper auf dem Asphalt. Während er hinunterstarrte, huschte eine Gestalt zur Eingangstür hinaus, vorbei an dem Körper, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und entschwand in der Nacht.
    Als Jonathan in das Zimmer seines Vaters zurückkehren wollte, entdeckte er etwas auf dem Boden. Er bückte sich und hob es auf. Es war ein schlankes Silbermesser, dessen Griff aussah, als wäre er aus Knochen geschnitzt. Die blutverschmierte Klinge funkelte bösartig. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn, die seltsame Gewissheit, dass sie nicht zum ersten Mal in menschliches Fleisch gestochen hatte.
    Er hörte Schritte und Stimmen auf der Treppe. Vermutlich Ärzte und Schwestern, die nach der Ursache des Lärms sehen wollten. Jonathan war bewusst, dass er den Dolch fallen lassen sollte, aber er bewegte sich nicht. Das Gewicht der Waffe in seiner Hand war beruhigend. Sie schien sich in seine Hand zu schmiegen. Es fühlte sich beinahe so an, als sei das Messer für ihn gemacht worden. Obwohl es eine tödliche Waffe war, war es auch von einer schauerlichen Schönheit, und plötzlich erschien Jonathan die Vorstellung, es aus der Hand geben zu müssen, unerträglich.
    Es blieb ihm keine Zeit mehr zum Nachdenken. Eilig wischte Jonathan die Klinge ab, versteckte das Messer in seiner Tasche und schlüpfte wieder in das Zimmer seines Vaters.
    »Was ging da vor sich?«, fragte Miss Elwood. Er sah ihren besorgten Gesichtsausdruck und zuckte mit den Schultern.
    »Bin mir nicht sicher«, log er.
    Ein Schmerzensschrei aus dem Bett hinter ihnen ließ sie herumwirbeln. Alain saß kerzengerade im Bett, die Hände zu Fäusten geballt, während sein ganzer Körper von Krämpfen geschüttelt wurde.
    »Großer Gott. Was ist los?«
    Die Adern an seinem Hals schwollen an, seine Augen blickten wild umher, als versuchte er eine letzte Warnung hinauszuschreien, doch seinen zusammengebissenen Zähnen entwich lediglich ein würgendes Geräusch.
    Jonathan stürzte zu ihm, aber er konnte nichts mehr tun: Alain schrie auf und fiel zurück aufs Bett. Seine leeren Augen starrten an die Decke. Die Finsternis hatte wieder Besitz von ihm ergriffen.

7
    Sie hielten vor dem Haus der Starlings nur so lange, wie sie benötigten, um ein paar Kleidungsstücke in einen Rucksack zu stopfen und schnell etwas zu essen. Miss Elwood bestand darauf, dass Jonathan den Übergang so schnell wie möglich erreichte.
    »Wenn du ihn

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