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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Wohngebieten schaltete sich ein, und während er aus dem Fenster blickte, sah Jonathan Eltern, die von der Arbeit nach Hause kamen, ihre Autos vorsichtig in den Einfahrten parkten und die Außenwelt hinter der Eingangstür zurückließen. Neben ihm murmelte eine verwirrte alte Frau vor sich hin. Sie verströmte einen Geruch, der darauf schließen ließ, dass sie sich sehr lange nicht gewaschen hatte.
    Die Gefühle der Panik und der Erleichterung, die Jonathan in der Bibliothek empfunden hatte, ebbten allmählich ab, und an ihre Stelle trat eine brennende Wut. Innerhalb eines Tages hatte Jonathan mehr über seine Familie in Erfahrung gebracht, als ihm sein Vater sein ganzes Leben lang offenbart hatte. Warum hatte Alain ihm nie etwas von Darkside erzählt? Was war so bedeutend, dass er es nicht einmal seinem eigenenSohn sagen konnte? Was verheimlichte er ihm außerdem noch?
    Das Sankt-Christopher-Krankenhaus war in Dunkelheit gehüllt, als Jonathan dort ankam. Der Wind peitschte gegen den Flügel, in dem Alain untergebracht war, die schmutzigen Fenster klapperten, und die morschen Türrahmen ächzten. Jonathan hatte das Gefühl, dass das gesamte Gebäude jeden Moment aus seinem Fundament gerissen werden könnte und der Sturm es mitsamt seinen Insassen forttragen würde. Ihn beschlich ein Gefühl, das ihn zur Eile mahnte.
    Die Eingangshalle war verlassen, und er traf nur auf einen Mann im Morgenmantel, der unverwandt auf den Boden starrte und etwas vor sich hin murmelte. Schließlich tauchte eine Krankenschwester aus einem der Nebenräume auf. Sie erkannte Jonathan und schickte ihn ohne Umschweife in den ersten Stock.
    »Die Patienten sind heute Abend etwas nervös«, warnte sie ihn. »Sieh ihnen nicht direkt in die Augen und halte dich nicht zu lange auf den Stationen auf.«
    Jonathan lief rasch die Treppe hinauf und durchquerte die erste Station. Die beängstigend panische Stimmung des Vortages hatte sich gelegt und an ihre Stelle war ein angespanntes Gefühl unterdrückter Erregung getreten. Die Patienten kauerten in ihren Betten und wimmerten leise vor Angst. Jonathan nahm sogar hin und wieder ein ersticktes Schluchzen wahr. Er befolgte die Anweisung der Schwester und marschierte stur weiter. Irgendetwas stimmte mit diesem Ort ganz und gar nicht.
    In Zimmer sieben saß Miss Elwood neben dem reglosen Körper seines Vaters und blätterte in einem Hochglanz-Magazin. Sie wirbelte herum, als Jonathan eintrat, aber Alain bewegte nicht einen Muskel.
    »Jonathan! Was machst du hier? Du hättest mich anrufen sollen und mir Bescheid sagen, dass du herkommen willst. Ich hätte dich doch abgeholt.«
    Er ignorierte sie und trat an Alains Bett.
    »Was ist Darkside, Dad?«
    Hinter ihm stieß Miss Elwood ein kurzes Gebet hervor. Vielleicht hatte er es sich eingebildet, aber er glaubte gesehen zu haben, dass Alain ein wenig mit einem Auge gezuckt hatte, als er den Namen Darkside ausgesprochen hatte.
    »Ich war in deinem Arbeitszimmer, Dad. Kannst du mich hören? Ich war in deinem kostbaren Arbeitszimmer.« Er sagte das mit Nachdruck. Es kam einer Herausforderung gleich.
    Alains Lippen bebten. Er konnte also hören, was Jonathan sagte.
    »Ich habe deine blöden Bücher gelesen.«
    Miss Elwood legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm, aber er wies sie zurück. In ihm stieg plötzlich eine Wut auf, die ihm die Eingeweide zusammenschnürte. Ein tiefes Stöhnen entfuhr Alain. Es klang, als würde eine ägyptische Grabstätte geöffnet.
    »Ich habe das Foto gesehen, Dad. Ich habe das Foto von dir und Mum gesehen.«
    Ein weiteres, lauteres Stöhnen erklang.
    »All die Jahre hast du es mir nie gezeigt. Du hast behauptet, es gäbe keine Fotos!«
    Tränen der Verzweiflung füllten seine Augen, als Jonathan sich auf die Bettkante seines Vaters niedersinken ließ. Er wollte ihm wehtun, es ihm heimzahlen für all die Jahre des Schweigens, ihn wütend machen, sodass er aufspringen und sich wehren würde oder irgendetwas anderes tun würde. Er brauchte Alain bei Bewusstsein, hier und jetzt. Zitternd vor Zorn, hätte Jonathan am liebsten lauthals geschrien, um alles andere zu übertönen. Doch seine Wut verschwand, als sein Vater ihn zum ersten Mal seit Jahren umarmte.
    »Es … tut … mir … leid«, hauchte er Jonathan ins Ohr.
    »Ist schon gut«, presste Jonathan hervor, die Augen fest geschlossen. »Ist schon gut, Dad.«

    Es war unglaublich frustrierend. In der Hoffnung, diesmal richtige Antworten zu bekommen, stellte Jonathan seinem

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