Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
Vom Netzwerk:
so befand sich am unteren Ende der Leiter der Übergang und dahinter lauerten die unbekannten Gefahren vonDarkside. Der Riese würde ihn in wenigen Sekunden eingeholt haben, also musste er sich entscheiden …
    Jonathan warf einen letzen Blick auf die Londoner Skyline, dann zog er sich an der Mauer hoch und begann die Leiter hinabzuklettern. Die Sprossen waren kalt und rutschig vom Regen und in seiner Eile rutschte er ab. Seine Füße baumelten in der Luft und seine Arme ächzten in den Gelenken, als er sich an eine Sprosse klammerte. Er musste sich mit aller Kraft festhalten, um nicht hinunter in das Flussbett zu fallen. In einiger Entfernung hörte er auf dem Pfad über sich Marianne rufen.
    »Lasst ihn nicht entkommen!«
    Er kletterte die Leiter bis zum Ende hinunter und betrat das Flussbett. Der Boden unter seinen Füßen war matschig und tückisch, und mit jedem Schritt versanken seine Beine tiefer im Schlamm, als wollte dieser ihn verschlingen und in die Tiefe ziehen. Es war, als versuchte man über Klebstoff zu laufen.
    Er blickte nach oben und sah Humble eilig die Leiter herunterklettern. Er hatte keine Vorstellung, was der Riese mit ihm anstellen würde, wenn er ihn erwischte. Alles war schwarz: Der Horizont wurde von den gewaltigen Silhouetten der Brückenpfeiler dominiert. Es gab keinen Ausweg und kein Versteck. Jonathan versuchte, sich schneller zu bewegen, doch der Schlamm zog ihn zurück, und er bemerkte, dass seine Beine müde wurden. Humble sprang locker auf das Flussbett und schritt zielstrebig auf ihn zu. Der Schlamm verlangsamte auch seinen Gang, aber nur wenig.
    Der Lärm des Straßenverkehrs auf der Brücke über seinem Kopf drang an seine Ohren. Jonathan sah sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit um. Sein Blick fiel auf ein schmales Abwasserrohr, das in die Themse führte. Ein rostiges Gitter, das einst den Eingang versperrt hatte, lag nun am Boden, und ein einsames braunes Rinnsal bahnte sich seinen Weg zum Fluss. Einige Steine waren von der Flut angeschwemmt worden und blockierten einen Teil der Öffnung, aber sie war gerade noch groß genug, dass Jonathan sich hindurchzwängen könnte. Es war schwer vorstellbar, dass sich hinter diesem verdreckten Schlund eine geheime Welt verbergen sollte.
    Humble war nur ein paar Schritte hinter ihm. Jonathan zwang seine Beine zu einer letzen Anstrengung und watete zu dem Rohr hinüber. Seine Hände fanden einen Griff an der Innenseite des Rohrs und er zwängte sich durch die Öffnung hinein. Mit einem trotzigen Schmatzen gab der Schlamm seine Füße frei. Jonathan musste die Arme an seinen Körper pressen und konnte sich nur vorwärtsbewegen, indem er sich wand wie ein Aal. Das Rohr führte mit einem scharfen Knick nach oben, und er mobilisierte seine letzten Kraftreserven, um voranzukriechen. Die Luft war stickig und er hatte kaum Platz zum Atmen oder um sich zu bewegen. Zu allem Überfluss lief ihm auch noch schmutziges Wasser über das Gesicht und in den Mund.
    Zu seinen Füßen erklang ein kratzendes Geräusch. Als er sich umdrehte, sah Jonathan Humbles langen Arm wie eine Riesenschlange durch das Rohr gleitenund nach ihm greifen. Für den Riesen war das Rohr zu schmal, um ihm hinterherzukriechen, aber er konnte ihn immer noch rauszerren. Jonathan schrie auf und zwängte sich tiefer in das Rohr hinein, wobei er sich das Knie an den scharfen Betonkanten aufschrammte. Sein Rucksack blockierte den Weg und er musste ihn mit dem Kopf weiterschieben.
    Die Hand hatte ihn beinahe erreicht. Jonathan spürte, wie eine Fingerspitze seine Turnschuhe berührte, als sein Rucksack plötzlich am Ende des Rohrs hinunterfiel, und mit einem letzten Ruck folgte er ihm. Jonathan landete mit einem dumpfen Schlag auf den Boden und blieb keuchend liegen. Er hatte es geschafft.

    Jonathan war in einer runden unterirdischen Kammer gelandet. Große graue Rohre ragten aus den Wänden und spuckten schwallartig Wasser in ein Becken in der Mitte des Raumes. Ein breiter Abflusskanal beförderte das Wasser fort und verlor sich in der Finsternis. Ein fauliger Geruch hing in der Luft, der sich in seinen feuchten Kleidern festsetzte. Eine Leiter hing von einem schmalen Gitter in der Decke herab. Durch die schmalen Gitterstäbe drang der fahle orangefarbene Lichtstrahl einer Londoner Straßenlaterne. Dies war die einzige Lichtquelle im Raum.
    Jonathan bewegte seine steifen Glieder und überprüfte seine Habseligkeiten. Erstaunlicherweise hatte sein Rucksack den Kriechgang durch

Weitere Kostenlose Bücher