Die Schatzhöhle
Dunkel der Nacht verschwunden waren und sich beeilten, mit dem Boot das Weite zu gewinnen.
Eine Stunde später wurde Paulus Krämer abgelöst. Seine Knie zitterten, als er in die Koje stieg. Noch immer wußte er nicht, ob er recht oder unrecht getan hatte. Sollte er jetzt zum Kapitän gehen?
Nein, gestand er sich selber ein, zu retten waren diese Steine doch nicht mehr. Aber er, Paulus Krämer, hatte sein Leben gerettet und vielleicht auch das ganze Schiff. Er traute diesem Araber, dem er in jener Nacht der Trunkenheit gegenübergesessen hatte, durchaus zu, ein ganzes Schiff zu vernichten, um der heiligen Steine wieder habhaft zu werden.
Imi Bejs Gesicht erschien ihm im Traum. Hatte es nicht Hörner? Sah es nicht aus wie das Antlitz
des Teufels?Mit einem erstickten Laut fuhr Paulus aus dem Schlaf auf.
»Was ist dir?« fragte ein Nachbar unwillig.
»Ah, mir ist noch immer nicht gut.
»Dann geh raus, an der frischen Luft vergehen dir die Flausen.«
65
Philip Weber, der Kapitän der »Delphin«, hatte eine schlechte Nacht hinter sich. Er hatte, was sonst selten vorkam, schwer geträumt. Sein Gesicht war mißmutig, als er gegen acht Uhr auf der Kommandobrücke erschien.
Zum Teufel, dachte er, ich habe mir etwas Schönes auf den Pelz gehängt, als ich dem Doktor Baum versprach, seine Diamanten sicher nach Hamburg zu bringen. Seit sie an Bord sind, habe ich keine Ruhe mehr.
Er stieg von der Kommandobrücke herab und schlenderte über Deck. Da traf er auf den langen Hein.
»Hein«, fuhr er ihn an, »warum hast du heute nacht die Wache an Paulus gegeben?«
»Ich war zu müde, Käpt'n, und Paulus trieb sich sowieso an Deck herum.«
»Ich werde dir helfen, müde sein, du bist wohl ganz und gar von Gott verlassen?«
»Entschuldigen Sie, Käpt'n, ich hätte mich ja bei Ihnen abmelden können.«
»Abmelden können? Du hättest um Erlaubnis fragen müssen! Na, dafür machst du diese Nacht zwei Wachen. Und jetzt räume mir mal vom Ladeluk die Bretter weg.«
Hein machte sich an die Arbeit. Dann blickte er den Kapitän fragend an.
»Soll ich hinuntersteigen, Käpt'n?«
»Nein, nein, ist schon gut, ich gehe selbst.«
Kapitän Weber verschwand auf der Leiter. Unten beaugenscheinigte er die gesamte Ladung. Dann kam er zu jener Ecke, in der die zehn Säcke hätten stehen müssen. Ein Ausruf des Schreckens entfuhr ihm. Die Säcke, in denen die Kostbarkeiten aufbewahrt wurden, waren aus Stroh und Bast geflochten. Sie waren daher gut von den anderen zu unterscheiden. Und da standen nur zwei.
Kapitän Weber fuhr sich mit der Hand über die Augen. War es Wirklichkeit, war es Traum? Er ging näher heran und tastete über die beiden verbliebenen Säcke. Tatsächlich, es waren nur zwei. Wie von einer Tarantel gestochen war er die Leiter hinaufgestürmt.
»Hein«, schrie er den langen Matrosen an, »Hein! Die Säcke mit den Gesteinsproben des
deutschen Gelehrten sind weg!«
Hein sah töricht drein.
»Wo sollen sie sein, Käpt'n?«
»Frag nicht so dumm«, schrie ihn der Kapitän an, »wenn ich das wüßte! Los, trommle mir sofort die ganze Mannschaft zusammen!«
Als alle Mann versammelt waren, fragte der Kapitän jeden einzelnen. Und er fand keinen, der nicht genauso verblüfft war wie er.
»Paulus, du hattest doch Wache heute nacht, weißt du nichts über den Verbleib?«Paulus
antwortete nicht; denn er war gar nicht erschienen.
»Wo ist Paulus?«
Ein anderer Matrose sagte, daß er ihn vorhin noch in der Koje gesehen habe. »Hol ihn sofort !« schrie ihn Weber an.
Der Matrose gehorchte und entfernte sich schleunigst. Als Paulus kam, machte er einen sehr verstörten Eindruck. Der Kapitän wiederholte seine Frage von vorhin. Aber auch Paulus konnte oder wollte sie nicht beantworten.
Stunden später erst, als der Kapitän bereits der Verzweiflung nahe war, ging Paulus zu ihm in
die Kajüte.
»Was willst du?«
Paulus stammelte etwas von Steinen.
Weber horchte auf.
Und dann nach und nach, wie schwere Tropfen, kam ein Geständnis aus dem Mund des törichten Matrosen.
Dem Kapitän verschlug es die Sprache. Ungläubig starrte er Paulus Krämer an.
»Und — und — das soll ich dir glauben? Du bist wirklich auf die dumme Lüge dieses Arabers
hereingefallen?«
»Eine Lüge?« fragte Paulus.
»Na, das konntest du dir doch an zehn Fingern abzählen. Weißt du denn, was du den Leuten in das Boot geworfen hast?«
»Ja, sicher, die heiligen Steine aus Maskat, die die Fremden dort gestohlen hatten.«
»Du bist ein Rindvieh, ein
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