Die Schatzhöhle
geworden wie er, Paulus. Aber für seinen Käpt'n würde er die Hand ins Feuer legen. »So wollt Ihr mich also wirklich ermorden?« fragte er jetzt. »Das hängt allein von Euch ab«, erwiderte Imi Bej. »Was soll ich tun, damit ich Euerm Strafgericht entgehe?« »Ihr müßt uns die Steine wieder verschaffen.«
»Das geht nicht. Alle würden es sehen, wenn ich die Säcke von Bord schaffte.«
»Ihr braucht sie nicht von Bord zu schaffen. Ihr braucht nur zu tun, was ich Euch sage.« »Und das wäre?«
»In der ersten oder zweiten Nacht, nachdem das Schiff ausgelaufen ist, wird sich von der Küste her ein Boot nähern, und Ihr seht zu, daß Ihr die Säcke über Bord werfen könnt. Meine Leute werden sie dann in das Boot nehmen.«
»Aber das geht nicht, das kann ich nicht. Es ist für jeden Matrosen bei Strafe verboten, irgend
etwas eigenmächtig aus den Laderäumen zu entfernen.«
»Auch Raubgut?«
»Da — davon steht — steht nichts in der Seeverordnung.«
Imi Bej erhob sich. Bevor er die Zelle verließ, meinte er gelassen:
»Ihr könnt Euch mein Angebot überlegen. Entweder nehmt Ihr es an, oder Ihr seht das Licht des morgigen Tages nicht wieder. Mit Schändern unserer Moscheen machen wir kurzen Prozeß. Soviel ich weiß, wird auch der Kirchenraub in Frankistan schwer bestraft.« »Ja, ja, schon, aber ...« »Denkt darüber nach und sagt dem Posten Bescheid.«
Wie durch Zauberhand verschwand der Tisch mit den kleinen Kaffeetassen und den Pfeifen. In Sekundenschnelle war alles wieder genauso trüb und öde wie vorher.
Dunkelheit herrschte um Paulus Krämer. Er dachte, er träume. Es war ein schwerer Traum, ein Traum zwischen Leben und Tod.
Das kann doch nicht sein, das kann doch nicht sein, hämmerte es in seinem Kopf. Aber weshalb sollten sie die Steine gestohlen haben, er selbst hatte doch einen in der Hand gehalten. Es war ein Kiesel wie jeder andere, etwas größer vielleicht, aber völlig wertlos. Was wollte dieser Doktor mit den Steinen in Deutschland? Gehörte er vielleicht zu jenen Verrückten, die sich nicht scheuten, die Heiligtümer anderer Völker zu berauben, nur um die deutschen Museen zu bereichern?
Und er, Paulus Krämer, sollte dafür büßen, büßen für etwas, wofür er nichts konnte? Das ging denn doch ein wenig zu weit. Oder sollte er so tun, als wolle er den Arabern behilflich sein, statt dessen aber seinen Kapitän von den Vorfällen unterrichten?
Sie hatten ihm den Tod angedroht. Wie aber wollten sie das Urteil vollstrecken, wenn er auf See war, auf den sicheren Planken der »Delphin«?
Die Kameraden an Bord hatten ihm viele Spukgeschichten erzählt. Er hatte sie stets geglaubt. Vielleicht waren diese undurchsichtigen, dunkelhäutigen Leute hier halbe Zauberer. Vielleicht vermochten sie wirklich, sein Leben auch aus der Entfernung auszulöschen. Das Durcheinander in seinem Kopf wurde immer größer.
Es war noch keine halbe Stunde vergangen, da hatte er sich entschieden, den Arabern wieder zu
den heiligenSteinen zu verhelfen. Er klopfte an die Tür. Der Posten öffnete und fragte in Pidgin
Englisch, was er wolle.
Paulus Krämer erklärte es ihm.
Der Posten nickte.
»Ich werde den Fürsten benachrichtigen«, sagte er.
Es dauerte nicht lange, und Imi Bej stand wieder vor ihm.
»Ihr habt Euch also zum Guten entschieden?«
Paulus Krämer nickte heftig.
»Gut«, fuhr Imi Bej fort. »Dann merkt Euch folgendes. In der zweiten Nacht, nachdem Euer Schiff ausgelaufen ist, wird ein Boot mit meinen Leuten längsseits gehen. Ihr werft dann die Säcke hinunter. Wenn Ihr das nicht tut, so seid Ihr eine Stunde später ein toter Mann.« Paulus Krämer schluckte schwer. »Gut«, sagte er, »ich will es tun.«
»Der Dank der Gläubigen wird Euch gewiß sein«, meinte Imi Bej feierlich.
Kurze Zeit darauf befand sich Paulus Krämer wieder in Freiheit. Benommen zwar, aber doch nicht mehr betrunken, erreichte er das Schiff.
63
Als Michel und Tscham am nächsten Morgen aufgestanden waren, erschien Ojo mit glasigen Augen. Seine Schritte waren unsicher. Mürrisch grüßte er. Ohne sich weiter um die beiden anderen zu kümmern, legte er sich nieder. Es währte keine Minute, dann erfüllte ein tiefes Schnarchen den Raum.
»Er kann es nicht lassen«, sagte Michel zu Tscham und schüttelte den Kopf, war aber seinem
langjährigen, treuen Begleiter nicht ernstlich böse.
Die beiden gingen hinunter und frühstückten.
»Gehen wir nochmals zu Kapitän Weber?« fragte Tscham.
»Ja. Heute nachmittag. Soviel
Weitere Kostenlose Bücher