Die Scheune (German Edition)
mit einem Messer in der Hand. Dane sah zu mir herüber. Seine Augen waren müde und glasig. Ich sah wieder zu dem Fremden, wie er das Messer einsatzbereit über Danes Brust hielt. Gott steh mir bei! In was war ich hier hineingeraten? Mir stockte der Atem. Ich fühlte mich gelähmt, irgendetwas zu unternehmen. Doch der Blick dieses blonden Mannes, der mich hasserfüllt anstarrte, holte mich aus meiner Abwesenheit. Ich rannte los, nutzte die kurze Verwirrung den Fremden und trat ihm das Messer mit meinem rechten Fuß fort, ehe es Dane erreichen konnte. Mein Tritt schleuderte es in das Schlafzimmer hinein. Ich trat ein zweites Mal zu und traf Cammons Kopf dermaßen hart, dass er hinterrücks zusammenfiel. Damit hatte ich ihn bewusstlos gemacht
Mir fehlten die Worte. Was zur Hölle war hier los? Ich stand da und sah auf Dane, der sich mühsam aufrichtete und sich dann gegen den Türrahmen der Schlafzimmertür fallen ließ. Dann sah ich auf den toten Mann im Schlafzimmer, Dr. Hendell. Im Schlafzimmer lag Sarah regungslos im Bett.
Linda schrie von unten. Ich schrie von oben, sie solle einen Krankenwagen und die Polizei anrufen. Ich ließ Dane sitzen, überstieg ihn, überstieg Phil Cammons, überstieg Dr. Hendell und eilte zu Sarah ans Bett. Sie schien bewusstlos zu sein. Ich schaute kurz unter ihre Bettdecke und sah schockiert das Ausmaß einer mehrmaligen Vergewaltigung. Wer zum Teufel hatte das getan? Etwa Dane? Hatten diese beiden Männer hier versucht, ihn aufzuhalten? Nein! Das konnte ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen! Hier musste sich etwas ganz anderes abgespielt haben. Dane würde Sarah nie verletzen.
Als Arzt prüfte ich geistesgegenwärtig ihren Zustand und diagnostizierte einen Schock. Unter ihre Beine legte ich ein Kissen und deckte sie wieder wärmend zu. Mehr konnte ich momentan nicht für sie tun – auch als Arzt nicht. Wieder stieg ich über Dr. Hendell und Phil Cammons hinweg und wandte mich zu Dane, der sichtlich Schwierigkeiten hatte, seine Augen offen zu halten.
„Hey, Dane. Kannst du mich hören?“, fragte ich ihn. Ich konnte mir auf sein benommenes Verhalten keinen Reim machen. Er musste zutiefst schockiert sein, aber das war er nicht. Er rang mit seiner Besinnung, obwohl doch alles vorbei war. Ich untersuchte ihn oberflächlich, konnte aber nichts feststellen, was seinen Zustand erklären konnte. Während ich mir seinen glasigen Blick ansah, versuchte Dane mit mir zu reden: „Ich Medi … Medi ...“ Sein Blick sackte weg. Ich schüttelte unverständlich den Kopf. Was hatte sich hier nur abgespielt? Vorsichtig schlug ich Dane die flache Hand ins Gesicht, um einer vermuteten Ohnmacht entgegenzuwirken. Dane ließ es widerstandslos geschehen. Er öffnete wieder seine Augen und versuchte tollpatschig bei mir einen Halt zum Aufstehen zu finden. Er klammerte sich an meinen rechten Arm. Ich griff ihm unter die Armbeuge und zog ihn hoch. So brachte ich ihn langsam die Treppe hinunter und legte ihn auf das Sofa. Er sah mich mit müden Augen an, als ich ihm mitteilte: „Sarah ist in Ordnung.“ Er sagte leise „Ja?“, dann schlief er endgültig ein. Von dem regen Treiben in seinem Haus, das gute fünfzehn Minuten später herrschte, bekam er nichts mehr mit. Sein beruhigter Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er mit der Tat nichts zu tun hatte.
Ich sah mich um Jahre zurückversetzt, als ich Dane auf dieser Palloma Street fand. Seine Verletzungen waren denen von heute nicht gleichzusetzen. Aber wieder löste er diese Panik in mir aus. Doch diesmal war Sarah das Opfer. Ich hatte Linda ausdrücklich verboten, nach oben zu gehen. Sie hätte sich um Sarah kümmern können. Aber sie hätte auch genausogut einen Schock erleiden und das Baby verlieren können. Zudem wusste ich nicht, ob dieser Fremde wieder zu sich kommen würde.
Ein Krankenwagen und ein Polizeiwagen kamen und befreiten uns aus dieser Situation. Sarah wurde versorgt, die nach wie vor nicht ansprechbar war. Die Kriminalpolizei kümmerte sich um Phil Cammons, der inzwischen zu sich gekommen war und fluchend die Vergewaltigung und den Mord an Hendell zugab. Er wünschte Sarah zudem die Pest an den Hals. Auch Dane. Damit war der Täter dieses Massakers ermittelt.
Ein Leichenwagen erledigte nach der Spurensicherung den Abtransport von Dr. Hendell.
Viele Stunden Hektik und Wirbel zogen wie ein Nebel an mir vorbei. Linda war einem Nervenzusammenbruch nahe. Ich versuchte, sie so liebevoll wie es mir irgendwie möglich war, zu
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