Die Scheune (German Edition)
über sich redet, wie Tausende von Menschen, die das auch nicht tun, die es nicht mögen, sich in den Vordergrund zu stellen. Dane ist einer von ihnen. Ich sag ja, gradlinig.“
„Sie sagten, er ist unkompliziert.“
„Genau.“
„Das ist wahrscheinlich genau das, was er brauch. Eine unkomplizierte Freundschaft. Der Kontrast seines Wesens erscheint mir auffallend. Er ist temperamentvoll und extrem ruhig. Er ist redselig und extrem still. Ich behaupte mal, dass er temperamentvoll und redselig ist, wenn Sie unpersönliche Dinge mit ihm besprechen. Er ist ruhig und still, wenn Sie persönliche Dinge ansprechen. Er ist eine Welle, die nach oben und nach unten ausschlägt. Je nachdem, wohin Sie seine Gefühle jagen. Er ist einfach nicht gradlinig.“
„Sind wir das nicht alle?“
Der Professor schaute zu Boden. Er dachte nach. Auch ich versuchte über die Worte nachzudenken, aber sie gaben mir keinen Anlass, unruhig zu werden. Das sollte sich bald ändern.
Die High-Tech-Aufnahme war konstant geblieben. Dane hatte seine Meditation wieder eingesetzt, die höchste Ebene erreicht und zeigte keinerlei Empfangsmerkmale. Um ihn herrschte die große Stille. Wie immer, wenn man ihm zu nahe kam.
Ich fuhr fort: „Er kann mit Gelassenheit, Scharfsinn und Ignoranz umgehen wie wir mit Messer und Gabel. Er setzt es einfach im richtigen Moment ein. Ich sehe es als eine Art Lebenskunst an, und das lässt ihn für mich so gradlinig erscheinen. Kurzum, er hat immer im rechten Moment die rechte Idee.“
„Sie wollen mich nicht verstehen“, sagte der Arzt.
Ich räusperte. Er hatte recht.
„Okay. Fang ich anders an. Was ist mit seiner Zeit vor Ihrer Freundschaft? Haben Sie ihn schon vorher gekannt? Hat er immer schon in Kalifornien gelebt?“
„Nein, nicht, dass ich mich erinnern kann. Er tauchte wie aus dem Nichts in meinem Leben auf – in unserem Leben. Da ist noch Mr. Gepart, mit dem er ein Lokal führt. Aber ich sagte ja schon, dass er nie darüber gesprochen hat. Es ist ja auch sein gutes Recht. Was geht uns seine Vergangenheit an?“ Ich wehrte und wehrte mich.
„Sie ist der Knackpunkt.“
Ich sah den Professor verständnislos an. „Welcher Knackpunkt?“
Jetzt sprach der Arzt ganz langsam, wie ein Lehrer, der einem begriffsstutzigen Knaben eine Aufgabe wieder und wieder erklärt: „Wenn er aus seiner Vergangenheit nichts zu verbergen hätte, hätte er Ihnen sicherlich schon so einiges erzählt. Als gute Freunde, und ich nehme an, das sind Sie, tauscht man doch mehr aus als nur die Realität. Was ist mit seiner Familie? Was wissen Sie über seine Eltern?“
„Nichts.“
„Woher ist er gekommen? Wo hat er früher gelebt?“
„Weiß ich nicht.“
„Was hat er früher gemacht, was hat er gelernt?“
„Weiß ich nicht.“
„Hat er Geschwister?“
„Weiß ich nicht.“
„Leben seine Eltern noch? Hat er Fotos von früher?“
„Herr Gott! Weiß ich nicht!“
„Und das nennen Sie in Ordnung ? Rutscht denn niemals eine Erinnerung aus ihm heraus?“
Nein! Nein! Nein! Ich schüttelte den Kopf.
„Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass er etwas ganz Gewaltiges vor Ihnen verheimlicht?“
Nein, rief es in mir. „Er war 23, als er zu uns nach Glendale kam!“, schrie ich jetzt. „Was soll er denn Großes vor uns zu verheimlichen haben? Er hatte zu diesem Zeitpunkt doch sein Leben noch vor sich! Und das haben wir bis heute mit ihm gemeinsam erlebt. Makellos!“
„Er hatte seine Kindheit und Jugend hinter sich. Die prägendste Zeit von allen. Das hatte er hinter sich. Und das ist der Knackpunkt.“
Ich dachte plötzlich an die alten Vernarbungen am Analkanal. Sollte ich das erzählen? Waren sie der Knackpunkt? Nein, ich wollte nichts erzählen. Dane hatte nichts erzählt, ich wollte auch nichts erzählen. Dane war mein Freund. Freunde sind auch zum Schweigen da. „Wenn seine Kindheit oder Jugend so schlimm gewesen war, wie konnte er dann der Mensch sein, der er ist?“
„Wissen Sie, wie er wirklich ist? Wissen Sie, was er tut, wenn er nicht mit Ihnen zusammen ist?“
Ich dachte an Joan. Aber das waren nur wenige Wochen, die er mit ihr verbracht hat.
„Vertrauen Sie ihm?“, unterbrach der Professor meine Gedanken.
„Absolut.“
„Das ist gut für ihn. Das ist wichtig für ihn.“
„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Wollen Sie meine Freundschaft zu ihm in Frage stellen?“
„Nein, ich will Ihnen nur die rosa Brille abnehmen, denn es ist unmöglich, dass Ihr Freund frei von allen
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