Die Scheune (German Edition)
flackerten über den Monitor. Es zeichnete sich ein neues Programm ab. Dann fand es Bestand, und eine komplizierte Grafik erschien, die der Professor eingehend studierte. Eine beklemmende Ruhe herrschte im Untersuchungszimmer.
„Das ist ... wie soll ich sagen ... sehen Sie.“ Der Kopf des Gelehrten wiegte leicht hin und her. Er zog den Mund spitz zusammen, öffnete ihn wieder und ließ schwarz auf weiß belegte Aussagen über die Lippen kommen, langsam und ernst: „Hören Sie mir gut zu, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe. Es ist wirklich kein Spaß mehr. Sein Verhalten scheint mir mit diesem Ergebnis immer plausibler. Mr. Galloway besitzt ein defektes Gen auf dem X - Chromosom, durch das die chemische Aggressionskontrolle im Gehirn gestört wird. Das ist unglaublich, ich kann es nicht fassen. Hat ihr Freund wirklich niemals ... niemals aggressive Verhaltensmuster gezeigt oder niemals versucht, andere Menschen zu belästigen oder anzugreifen? Auch nicht aus Spaß oder so?“
Ich schüttelte bestürzt den Kopf. Gott!
„Ich kann es nicht glauben“, sagte der Professor kopfschüttelnd. „Dieser Gen-Defekt ist vorhanden. Er muss sein Leben unglaublich im Griff gehabt haben. Das findet man auch selten. Es ist ein in der Anlage versteckter Gen. So ein Fall ist bisher nur einmal 1978 in den Niederlanden aufgetreten. Eine Frau wandte sich damals an die Ärzte des Uni-Klinikums Nijmegen, weil, so sagte sie, irgend etwas mit den Männern in ihrer Familie nicht stimmte. Einer hatte versucht, seinen Chef mit dem Auto zu überfahren, ein Zweiter wollte seine Schwester vergewaltigen. Andere waren Brandstifter oder Exhibitionisten. Als wahrscheinliche Ursache für diese über Generationen auftretenden Auffälligkeiten fand Professor Han Brunner Anfang diesen Jahres ein defektes Gen auf dem X-Chromosom. Verrückt, nicht wahr? Vielleicht steht Ihr Freund vor dem Problem, eine psychopathische Erkrankung vor Ihnen zu verbergen, Aggressionen zu unterdrücken, die sich um vielfaches nach der Vergewaltigung verstärkt haben! – Warten Sie, ich werde etwas verändern.“
Dabei wollte ich gerade etwas sagen.
ICH KANN NICHT MEHR!, schrie Dane, doch das Loch schrie ihn an, durchzuhalten.
Der Professor stand auf und nahm Dane die Haube mit wenigen gezielten Handgriffen wieder vom Kopf. Das veranlasste mich, sprachlos wie ich nun war, mich ebenfalls zu erheben. Dann sah ich die Spritze, auf der radioaktive Zuckerlösung stand und rastete vollkommen aus: „Scheiße werden Sie tun! Ich glaub, ich spinne! Hätte mir denken können, dass ich von Ihnen nur Schmu erfahre! Er ist doch kein Psychopath! Scheiße noch mal! Wieso lasten Sie ihm Dinge eines kranken Menschen an? Wieso diese verdammte Spritze? Ich bin doch nicht hierher gekommen, um ihn zu brandmarken! Wieso diese verdammte Spritze?“ Ich muss feuerrot im Gesicht gewesen sein. Das bin ich selten.
„Weil Ihr Freund allem Anschein nach wirklich krank ist, verstehen Sie? Sein Verhalten hat vermutlich gar nichts mit dem Überfall zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass Sie jetzt hinter Dinge kommen könnten, die er nicht will. Vielleicht durch die Motive des Überfalls. Ich kann doch nichts für die Ergebnisse. Sie sind doch gekommen! Seien Sie doch froh, dies jetzt und hier erkannt zu haben und nicht später, wenn ...“
„Ja!? Wenn was?“, schrie ich ihn an.
„Ich will Ihnen doch nur helfen! Vielleicht schlummert in Ihrem Freund mehr als Sie erahnen! Sie sind doch genauso irritiert über sein Verhalten wie wir. Alles passt zusammen. Es scheint mir, als wenn Mr. Galloway Sie hinters Licht führen will, ich meine, er zeigt Ihnen seelische Schmerzen, die er gar nicht hat, und es wirkt ja auch wunderbar bemitleidenswert. So bemitleidenswert, dass Sie die Motive des Überfalls wahrscheinlich bald in den Hintergrund schieben werden und sich nur noch um ihn selbst sorgen werden. Damit hat er Sie wieder einmal von etwas abgelenkt, was Sie nicht wissen dürfen. Geplante Überfälle sind ja schließlich nicht willkürlich. Wissen Sie, man erkennt diese Menschen nicht auf den ersten Blick, denn zumeist sind sie auffallend charmante und blendende Schauspieler, die es meisterhaft verstehen, sich ins rechte Licht zu rücken und ihr Gegenüber um den Finger zu wickeln. Doch die einzigen Regeln, die ihr Handeln bestimmen, sind ihre eigenen. Sie sind schnell gelangweilt, oft großspurig im Auftreten und – bis auf unberechenbare, impulsive Aufwallungen mit ebenso unabsehbaren
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