Die Scheune (German Edition)
wurde nahezu euphorisch. Die Zeit schien mit mir zu arbeiten und immer mehr Erfolge zu verzeichnen. Was auch geschehen sein mochte – Hurra!
Allerdings war sein Lachen verschwunden.
Dane begab sich wieder ins Leben zurück. Er bemühte sich um Hand- und Körperkontakt. Er schrie nur noch selten in seinen Träumen.
In meiner freien Zeit machte ich mir Notizen und las Bücher über Verdrängungsprozesse und Persönlichkeitsspaltungen. So begann ich ganz langsam ein System in Danes Verhalten bringen zu wollen. Ich versuchte, Reaktionen gezielter zu verstehen und eine Vorgeschichte hypothetisch zu erarbeiten.
Die Diagnose von Vancouver verlor den Kampf gegen die Erklärung einer vorübergehenden Bewusstseinsstörung und eines intensiven Verdrängungsprozesses. Was hatte Dane erlebt, bevor er nach Kalifornien gekommen war? Die Schlüsselfrage. Wer war er wirklich? Gedanken, die mich zu ängstigen begannen.
Es war nicht die Schlägerei, die ihn zu dem gemacht hatte, der er nun war. Es muss die Vergewaltigung gewesen sein. War es tatsächlich eine Vergewaltigung gewesen? Was wusste ich schon? Vielleicht war es ja ein Akt des gegenseitigen Einverständnisses gewesen. Und danach hatte die Schlägerei begonnen. Aber das entsprach nicht der Situation, in der ich ihn vorfand. Gut, auch Vergewaltigungsopfer habe ich viele Jahre während meiner Berufslaufbahn betreut. Aber wer hatte bisher ein solches Verhalten danach gezeigt? Ich hätte es verstanden, wenn er tagelang geschrien und geheult hätte. Er wäre doch zur Ruhe gekommen, und ein geeigneter Psychologe hätte Kontakt zu ihm aufgenommen. Aber einfach in einem Nichts zu verschwinden und mit niemanden zu reden sprach für ein schlimmes Trauma aus seiner früheren Zeit.
Nun saß ich in meiner freien Zeit in seinem Zimmer und wurde immer wieder aufs neue enttäuscht. Besonders wenn ich Dane stumm und zitternd in seinem Bett verharren sah. Ständig schwirrte das Bild einer gewalttätigen Kindheit in meinem Kopf herum. Ich versuchte, andeutungsweise mit Dane darüber zu sprechen, aber er nahm mich gar nicht wahr. Er war nur wach, mehr nicht.
*
In der siebten Woche forderte die Versicherung nach Überprüfung des Falles eine Einweisung in eine Nervenklinik. Jetzt hatte ich keine Macht mehr über seinen weiteren Werdegang und ärgerte mich zutiefst, ihn nicht einfach nur entlassen zu dürfen. Zu Hause bei Johnathan hätte sich sicherlich eine Möglichkeit gefunden, ihm zu helfen. Nun sahen sie eine Psychiatrie für ihn vor. Meine Berichte, die meine Aufsicht im Krankenhaus unterstützen sollten waren nach hinten losgegangen. Seine Versicherung hatte nun das Ruder übernommen. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um ihn schnell aus den Fängen der Ärzte und Versicherungen zu holen. Alles bekam eine beängstigende Dringlichkeit. Doch wie sollte ich eine Genesung verantworten, die nicht stattfand?
Ich saß an seinem Bett und sah dieses Häufchen Elend, das mit niemandem sprechen wollte. Selbst mit Johnathan nicht.
Mir blieb keine andere Wahl, als Dane die Situation mitzuteilen. Auch meine Ratlosigkeit und Verzweiflung. Er jedoch schwieg und sah die karge Wand an.
Doch in der darauffolgenden Nacht erlitt er Weinkrämpfe und schrie sich wieder in einen Schockzustand. Niemand konnte ihn beruhigen, und so injizierte ich ihm ein Schlafmedikament. Ich wartete bis die Wirkung des Medikaments einsetzte und er die Kraft fürs Schreien verlor.
Seine Psyche spielte ihm wieder einen bösen Streich. Ich nehme an, dass es die Angst vor einer Psychiatrie war. Er fand keinen Weg aus dieser Situation heraus.
Seine Berührungsängste waren echter Natur. In der Fachsprache nennt man so etwas ein posttraumatisches Schockerlebnis: ein schockierendes Erlebnis, das sich postwendend emotional in die derzeitige Situation, die der einst auslösenden ähnlich ist, projektiert wird und den Betroffenen dann vollkommen beherrscht. Mit einfachen Worten:
Er durchlebte unentwegt die Gefühle aus seiner Kindheit.
Hilfe!, schrie Dane. Hilfe! Die wollen mich einsperren!
Das Loch antwortete nicht.
Dane weinte und flehte. Ein Wimmern aus seiner Kindheit erklang. Er weinte und flehte bis ihn ein tiefer Traum einholte. Darin hörte er Stimmen. Sie kamen aus dem Loch. Dane sah sich um. Alles war schwarz um ihn herum. Ganz oben war etwas Licht zu sehen. Da standen seine Freunde und schrien: Komm! Komm hoch zu uns.
Plötzlich bildete sich ein dichter Nebel davor, gleich einem Spinnennetz,
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