Die Scheune (German Edition)
Er hatte Angst vor seiner eigenen Reaktion.
Hin und wieder stellten wir uns Fragen nach Joan. Johnathan hatte weder eine Adresse noch eine Telefonnummer gefunden, sagte er. Leider konnte ich nicht nachhalten, ob er auch wirklich danach gesucht hatte. Joan war auch nie im Krankenhaus erschienen, hatte nicht einmal angerufen. Vermutlich hatte sie ja meine Nummer schon einmal angewählt. Also blieb unser mulmiges Gefühl ihr gegenüber, und wir gewannen den Eindruck, sie hätte Dane tatsächlich vor dem Unglück verlassen. Andere Ideen verwarfen wir. Diese Joan war uns vollkommen egal geworden.
Dane sah Johnathan einfach nicht an. Er konnte sich nicht zwei Welten gleichzeitig stellen, denn auch Johnathan brannten zu viele Fragen auf der Seele.
Ich stand mit geballten Fäusten in den Kitteltaschen neben Dane und gab ihm alle guten Wünsche mit auf den Weg.
Johnathan hielt Dane die Hand entgegen. Er aber sah nur ablehnend in den Himmel und stieg dann stumm in die Corvette. Ich hatte ihm zuvor erklärt, dass man ihm seine Fahrlizenz entziehen musste, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen.
Johnathan konnte es nicht fassen. War da denn gar nichts mehr von ihrer Freundschaft übriggeblieben?
Sie fuhren los, und die Beklemmung breitete sich wie ein Spinnennetz über sie aus. Johnathan erzählte mir, dass Dane vollkommen stumm geblieben war.
Die Fahrt zog sich wie Kaugummi. Pausen wurden zu unangenehmen Strapazen. Stundenlang folgten sie der Interstate 10, überquerten Autobahnnetze und pausierten an Roadstops, um weitere Stunden der Schweigsamkeit zu ertragen. Johnathan erschrak, als Dane den bestellten Kaffee beiseite schob und sich lediglich mit dem abgestandenen Wasser aus einem roten Plastikbecher begnügte. Dane liebte Kaffee zu jeder Tageszeit. Früher. Stattdessen fiel sein Blick gelangweilt auf die triste Straße, die sich in der gleißenden Hitze zu Spiegelirritationen verzauberte. Johnathan sah er nicht an, er wich Blicken und Worten aus. Nach einer deprimierenden Übernachtung in einem Motel wartete er auf die Weiterfahrt.
Hinter Dallas zweigte ein Weg hinunter zum Trinity River. Der Fluss glitzerte im grellen Licht der Sonne, umgeben von einer berauschenden Hügellandschaft mit riesigen Baumnestern. Einer Augenweide, der Dane nicht einen einzigen Blick schenkte. Verschwommen huschte die Landschaft an ihm vorbei.
Als er aus dem Auto sah, standen sie vor dem Schild "Garden's Inn", seine Bühne für die nächsten Wochen. Oder sollten es Monate werden? Es würde keine vertrauten Stimmen mehr geben. Johnathan fuhr die weiße Corvette langsam auf den großen Parkplatz vor der Klinik. Ratternd erlosch das raue Geräusch des Motors. Sie waren angekommen.
Du musst mir helfen, flehte Dane das Loch an.
Ich bin ja da, antwortet ihm das Loch.
Eben noch da, jetzt spurlos verschwunden – die Hoffnung einer netten Geste. Johnathan fühlte sich bedrückt und sah bitter zu Dane hinüber. Dane sah auf das große Gebäude der Klinik. Dann sah er flüchtig seinen einst so vertrauten Partner an. Was war davon übrig geblieben? Beide stiegen aus. Johnathan hielt ihm seine Hand entgegen, um sich zu verabschieden. Dane starrte sie an – die Hand seines Freundes. Eine Hand, die ihm Hilfe und Halt bieten wollte, wie sie es immer getan hatte, seit sie sich begegnet waren. Nun streckte sie sich ihm wieder entgegen, als würde sie schreien: „Komm zurück! Komm zu dir!!“ Dane nahm sie nicht an. Stattdessen griff er sich unverwandt an die Ohren und hielt sie zu, als würde er ein schmerzendes Geräusch fernhalten.
Hör das fiepen auf!, schrie Dane.
Ich freu mich so!, schrie das Loch. Endlich können wir wieder leben!
Johnathan zog entrüstet seine Hand wieder zurück und holte eine braune Reisetasche aus dem Wagen. Er stellte sie vor Dane auf den Boden und hatte große Mühe sich zusammenzureißen.
Von Besuchen wünschte die Klinikleitung vorerst abzusehen. Telefonische Auskünfte könnten jederzeit gegeben werden. Und so verabschiedeten sich beide schließlich mit einem kurzen Blick zueinander. Johnathan versuchte, dem nichts entgegenzusetzen. Es wäre zwecklos. Es graute ihm vor der langen Rückfahrt – ganz alleine. Auch wenn die Hinfahrt nicht sehr belebend auf ihn gewirkt hatte, so vermisste er nun die Spannung. Immerhin hatten beide wieder einmal viele Stunden zusammen verbracht. Leider nur nebeneinander, nicht miteinander.
Dane atmete tief durch und schulterte den Gurt seiner Tasche. Er
Weitere Kostenlose Bücher